Meine Erfahrung mit Wassergymnastik -
Regi - 05.10.2019
Ich bin früh auf. Mein Nachbar oben schläft noch, deshalb ist es noch zu früh, die Küche aufzuräumen oder anderen Radau zu veranstalten. Also eine gute Zeit, mir die Zeit mit einem Bericht zu vertreiben.
Im Sommer letzen Jahres wurde ich, nebst anderen erfolglosen Versuchen wenigstens ein Teil der Beschwerden symptomatisch zu lindern, in der Schmerzambulanz vorstellig. Es wurde mir u.a. wieder konventionelle Bewegungstherapie in der Physio empfohlen, obwohl das in der Vergangenheit immer wieder im Schmerz- und Erschöpfungsfiasko endete. Ich liess mich darauf ein, weil mir spürbar klar ist, dass die Bewegungsarmut langfristig auch keine Lösung ist. Bewegungsdrang war und ist auch vorhanden. Nach diesem erneuten gescheiterten Versuch mit Bewegungstherapie orakelten wir über Alternativen. Schwimmen führt zum selben Ergebnis wie konventionelle Bewegungstherapie. Irgendwann kam die Idee mit der Wassergymnastik auf. Auf diesen Versuch wollte ich mich einlassen.
Ich erhielt eine Verordnung für Wassergymnastik im nahegelegenen Kantonsspital, wo es auch ein Therapiebad hat - klein aber fein. Ziel war die Instruktion für Übungen im Wasser, die ich dann eigenständig im hauseigenen Pool in Thailand durchführen könnte. Dafür waren nur zwei Physiositzungen nötig. Ich war gespannt, wie sich das auswirken würde und ob ich es schaffen würde, das regelmässig durchzuziehen. Es schien mir nicht wirklich klar zu sein, dass ich konventionelle Bewegungstherapie und Schwimmen in der Vegangenheit nicht regelmässig durchzog, weil es eben zu mehr Schmerzen und Erschöpfung bis hin zum kompletten Ausfall führte. Viel mehr stellte ich meine Disziplin bei solchen Sachen in Frage. Was in der Folge mit dem Selbstwertgefühl passiert, brauche ich nicht näher zu erläutern.
In Thailand schaffte ich die Wassergymnastik mindestens dreimal die Woche, ohne mit Schmerzen und Erschöpfung im Nachgang bestraft zu werden. Auch wenn es nicht unbedingt eine Verbesserung der Symptome bewirkte, wurde auch nichts schlechter und ich konnte meinen Bewegungsdrang wenigstens etwas ausleben. Der Schmerzlevel sank schon zu Beginn meines Thailandaufenthalts, was ich aber eher dem warmen Klima zuschreiben muss.
Als ich im Frühling in die Schweiz zurückkehrte, wollte ich die Wassergymnastik weiterführen. Mein Ziel war eine Frequenz von zweimal wöchentlich, weil ich hier im Gegensatz zu Thailand mehr Aufgaben der Selbstversorgung schaffen muss und den Pool nicht vor dem Haus habe. Ich bekam nochmals eine Verordnung für Kontrolle und Instruktion und löste ein Abo für drei Monate im Therapiebad vom Spital. Die neue Therapeutin zeigte mir noch drei zusätzliche Übungen für die Beweglichkeit. Zudem zeigte sie mir verschiedene "Schritte", wie ich mit Zuhilfenahme der Wassernudel ein wenig Herzkreislauftraining machen kann. Zudem kombinierte ich die Wassergymnastik im letzten Monat mit Achtsamkeitstraining, das mir von der Psychotante gegen den ständigen Hirnwix empfohlen wurde.
Anfangs gabs weiterhin keine Verbesserung bei den Schmerzen. Mit der Zeit spürte ich aber, dass ich meine Glieder und Gelenke ohne Schmerzen in grösserem Radius bewegen konnte. Zweimal fünf Minuten Herzkreislauftraining führte nicht zur Erschöpfung, konnte aber nicht weiter ausgebaut werden. Die Muskelkrämpfe bei kleinster Belastung, die in den letzten zwei Jahren hinzukamen, sind aktuell weg. Hier in heimatlichen Gefilden fiel mir der deutlich bessere psychische Zustand auf. Der Mensch will sich bewegen. Wenn er das nicht kann, leidet auch die Psyche. Dass der Einfluss so gross ist, konnte ich mir nicht vorstellen.
Ich habe jetzt vier Monate Wassergymnastik hinter mir. Regelmässig zweimal wöchentlich schaffte ich vor allem, weil ich es mir fest im Terminkalender eingetrug. Ich denke, das war für mich immens wichtig. Mehr Schmerzen nach der Gymnastik hatte ich nur im Daumengrundgelenk - vom Massagedüsenknopfdrücken
. Im Therapiebad hatte es drei Massagedüsen, einen "Wasserfall" und einen Whirlpool. Das war am Schluss jedesmal meine Belohnung. An schlechten Tagen konnte ich mich für den Besuch im Therapiebad nur aufraffen mit dem Gedanken, dass ich mir nur das Wellnessprogramm reinziehe, wenn es gar nicht anders geht. Bis auf einen Ausnahme habe ich das volle Programm oder einen Teil davon doch geschafft.
Der Schwerpunkt meiner Beschwerden liegt in belastungs- und kälteabhängigen Muskel-, Sehnen- und Bänderschmerzen und Muskelschwächen bei Status nach Acrodermatitis chronica atrophicans, die damals sechs Jahre nicht diagnostiziert wurde. Die ACA trat vor 21 Jahren auf, erste Beschwerden vor 24 Jahren. Ich bin dankbar, dass ich eine Möglichkeit gefunden habe, mich regelmässig zu bewegen, ohne abgestraft zu werden. Vielleicht kann ich mit diesem Bericht den Einen oder Anderen hier inspirieren.
Vor zwei Wochen war ich das letzte Mal in der Wassergymnastik, weil mein Abo ausgelaufen ist, das ich nicht mehr erneuern will, weil ich in gut drei Wochen wieder für knapp sechs Monate nach Thailand reise, um dort zu überwintern. Ich hätte nie gedacht, dass mir sportliche Aktivitäten mal fehlen würden, aber ich vermisse die Wassergymnastik und freue mich jetzt schon auf den Pool in wärmeren Gefilden und an der frischen Luft.
LG, Regi
RE: Meine Erfahrung mit Wassergymnastik -
ticks for free - 05.10.2019
Liebe Regi,
ey, klasse. Danke für den Bericht, der mich jetzt auch motiviert, das Thema Bewegung mehr anzugehen und auszubauen. Freut mich, zu hören, dass du den inneren Schweinehund besiegen und trotz äußerlicher Eingeschränktheiten deinen Weg finden konntest!
Ich war eigentlich schon immer der totale Bewegungstyp, was aber durch Kraftlosigkeit und Schwindel in den letzten 20 Jahren leider seeehr nachgelassen hatte. Dazu kam letztes Jahr noch die bedauerliche Tatsache, dass mein eines Kniegelenk sich auch noch verabschiedet hat (dank Fluorchinolon-Vergiftung vor 10 Jahren ist fast aller Knorpel weg und Entzündungserscheinungen bis ins Knochenmark per MRT diagnostiziert
).
Radfahren geht noch gut mit Ebike.
Da sich die Rücken- und Allgemeinmuskulatur nun auch noch zurückbildet wegen Bewegungsmangel und infolgedessen die Wirbelsäule gerne auch Zicken macht, habe ich beschlossen, das Ruder rumzureißen und mir schon mal Rehasport verschreiben lassen. In der Muckibude vor Ort will ich dann auch gezieltes Muskelaufbautraining angehen (soweit möglich bei all den Einschränkungen).
Da ich gerne in die Sauna gehe, wo ein schönes Warmwasserbecken zur Verfügung steht, hatte ich schon öfter gedacht: Wassergymnastik, das wär's!
Und nun meine Frage: Gibt es ein bestimmtes Set an Übungen, welches du überall durchziehen kannst? Also eines, welches du in Eigenregie anwenden kannst?
RE: Meine Erfahrung mit Wassergymnastik -
FreeNine - 05.10.2019
Liebe Regi,
schön, dass es dir auch gut bekommt.
(05.10.2019, 11:30)ticks for free schrieb: Da sich die Rücken- und Allgemeinmuskulatur nun auch noch zurückbildet wegen Bewegungsmangel und infolgedessen die Wirbelsäule gerne auch Zicken macht, habe ich beschlossen, das Ruder rumzureißen und mir schon mal Rehasport verschreiben lassen. In der Muckibude vor Ort will ich dann auch gezieltes Muskelaufbautraining angehen.
@ Ticks
Den Rehasport gibts auch im Wasser als Wassergymnastik. (Nur zur Info)
Ich gehe ja nun schon ein paar Jahre zur "Wassergymnastik" auf Verordnung Rehasport im Wasser.
Ich finde es sehr gut, da jedes mal wieder andere Übungen gemacht werden und damit immer wieder andere Muskelgruppen angeregt werden. Allein bringt man das wohl nicht so hin. Zumal in meinem Fall ich immer wieder Übungen vergesse.
In folgenden Beitrag hatte ich ja schon mal über meine Erfahrungen dazu geschrieben, dass war der Thread, wo Regi über die Wassergymnastik nachgedacht hat.
https://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=12196&pid=141517#pid141517
Die Wassergymnastik ist ja gelenkschonend und im Wasser kommt einen die Bewegung zum Teil auch leichter vor, da das Wasser zum Teil ja auch trägt.
Andererseits mus man teils auch gegen das Wasser, den Wasserstrom ankämpfen. Also meiner Muskulatur tut es gut.
Man muss halt suchen, wer diesen Rehasport anbietet. Die Kosten werden bei Verordnung von der Kasse getragen.
Ich habe jetzt ein neues Rezept über 3 Jahre erhalten. Leider gibts die Fahrgemeinschaft nicht mehr und ich hoffe, dass ich den Weg noch lange selbst schaffe (erschöpfungstechnisch).
Momentan verbinde ich es mit einem Besuch meiner Mutter, da sie in der Nähe der Kurklinik wohnt und da ist das MUSS dahinter. D.h. nach dem Wasserbewegung fahre ich zu ihr, erhole und entspanne mich auf einen Kaffee und danach schaffe ich die alleinige Rückfahrt dann irgendwie besser! ;-)
LG FreeNine
RE: Meine Erfahrung mit Wassergymnastik -
ticks for free - 05.10.2019
Hi Freenine
(05.10.2019, 12:19)FreeNine schrieb: @ Ticks
Den Rehasport gibts auch im Wasser als Wassergymnastik. (Nur zur Info)
.....
In folgenden Beitrag hatte ich ja schon mal über meine Erfahrungen dazu geschrieben, dass war der Thread, wo Regi über die Wassergymnastik nachgedacht hat.
https://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=12196&pid=141517#pid141517
Jaa, ich erinnere mich. Zu diesem Zeitpunkt machte ich noch etwas weitere Bögen um solche Themen, denn.... eigentlich hasse ich Gymnastik ... und das schlechte Gewissen nagte auch schon an mir
Danke für den Hinweis
Zitat:...verbinde ich es mit einem Besuch meiner Mutter, da sie in der Nähe der Kurklinik wohnt und da ist das MUSS dahinter.
Jaa, das
MUSS muss mitspielen bei mir, sonst wird das nix mit runter-vom-Sofa
Dem habe ich (hoffentlich) Genüge getan durch die finanziellen Verpflichtungen, auf die ich mich vertraglich damit festlege
RE: Meine Erfahrung mit Wassergymnastik -
Regi - 06.10.2019
Zitat:Und nun meine Frage: Gibt es ein bestimmtes Set an Übungen, welches du überall durchziehen kannst? Also eines, welches du in Eigenregie anwenden kannst?
Ja, die Übungen wurden für mich zusammengestellt und teilweise angepasst, wenn es Probleme damit gab. Ich weigere mich, irgendwas zu machen, das Schmerzen oder ein unangenehmes Gefühl auslöst. Mit dieser Strategie fahre ich am besten. Ganz überall kann ich die Übungen nicht machen. Bei den meisten Übungen muss ich mich irgendwo festhalten können, wo die Wassertiefe stimmt. In der Seebadi war das nicht immer möglich. Im Pool ging das immer. Und die Schwimmnudel muss man halt selbst mitnehmen, wenn sie nicht im Bad zur Verfügung steht.
Ich mache mir keine Illusionen. Das Programm dient nicht dem Kraftaufbau, was nach meiner Erfahrung bei mir sowieso kontraproduktiv ist. Es dient der Beweglichkeit und ist eine Möglichkeit, meinen Bewegungsdrang auszuleben.
Ich plane, in Thailand ein Experiment mit isometrischen Übungen zu machen, da dabei die Sehnen trainiert und besser durchblutet werden sollen. Vom Körpergefühl her könnte es funktionieren. Wenn ich es drei Monate schaffe, werde ich auch darüber berichten.
LG, Regi