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Moral vs Selbstaufgabe - Druckversion

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Moral vs Selbstaufgabe - Towanda - 06.01.2020

Meine Lieben,

seit nun fast einem Jahr geht es mir gesundheitlich so schlecht, dass ich nicht mehr arbeiten kann und mein Leben komplett auf den Kopf gestellt ist. Ich habe eine Tortur hinter mir, die ihresgleichen sucht. (Nu ja, einige von euch haben Ähnliches erlebt) Bettlägerig für Monate, Schwindel, höllische Schmerzen, konnte nicht mehr aufrecht gehen, Grippesymptome, Übelkeit, schweres Krankheitsgefühl. Zusätzlich noch Demütigungen von Ärzten (alles psychosomatisch) und einige meiner Freunde/Familie haben sich von mir abgewendet, da sie mit der Situation überfordert sind, können mir nicht helfen, wissen nicht wie.
Tatsache ist, dass es mir so immer noch nicht wirklich besser geht. Zwar kann ich wieder aufrecht gehen für eine gewisse Zeit aber ich erreiche keinen stabilen Zustand. Die Feiertage lag ich wieder komplett flach, Ischias und Kopfschmerzen bis zur Migräne haben sich dazugesellt.
Ich soll Ende Monat wieder einen Arbeitsversuch machen. Ich kann mir nicht vorstellen wie das gehen soll. Jetzt bekomme ich Existenzängste da ich befürchte demnächst schlagen die Versicherungen zu. Ich bin ja nur „psychisch krank“ geschrieben.
Ich habe den Eindruck, ihr könnt damit alle besser umgehen und frage mich wie ihr das macht. Ich habe mittlerweile stark suizidale Gedanken, da ich nicht mehr an eine Besserung glaube und nur noch Erlösung möchte.
Auch kann ich mir nicht vorstellen auf Psychoreha gehen zu müssen. Das würde mich kaputt machen.
Wie schafft ihr das nur alle?


RE: Moral vs Selbstaufgabe - Ehemaliges Mitglied 1 - 06.01.2020

Liebe Towanda,
Ich kann dich so gut verstehen und wünschte ich könnte dir irgendwie helfen. Ich kämpfe schon fast 2 Jahre und auch mein Zustand ist noch eher bescheiden. Arbeiten könnte ich zwar eventuell 2 Stunden pro Tag. Aber hänge gerade etwas in der Luft. Habe Ende des Monats einen verhandlungstermin, wie es mit mir weitergeht. Laut gutachter bin ich voll arbeitsfähigHuh keine Ahnung wie das gehen soll. Habe aber auch noch den Rehabericht (von meiner psycho Reha), in dem steht dass ich die geforderten 20 Wochenstunden nicht mitmachen konnte und viele befreiungen brauchte. Ich hoffe mein Anwalt kann dann wenigstens eine teilerwerbsminderungsrente rausschlagen.....
Selbstmordgedanken kenne ich auch. Aber die sind momentan Gott sei dank weg.
Ansonsten suche ich mir Dinge, aus denen ich Kraft schöpfen kann. Seifensieden, Spaziergänge, Natur, meine Kinder, mein Hund, Musik,... Und denke mir wieviel ich schon geschafft habe.
Auch gehe ich zu alle 2 Wochen zu einer Psychologin. Die hört mir immer zu und negiert chronische Borreliose nicht. Denn mit meinen Angehörigen kann ich nicht darüber reden.
Bis jetzt hat sich immer wieder eine neue Tür geöffnet. Und es ging immer irgendwie weiter. Und wir sind doch Kämpfer. Heart
Nimmst du eigentlich wieder Antibiotika oder noch dsf.
Fühl dich gedrückt LG birgit


RE: Moral vs Selbstaufgabe - Zotti - 06.01.2020

(06.01.2020, 18:32)Towanda schrieb:  Ich habe den Eindruck, ihr könnt damit alle besser umgehen und frage mich wie ihr das macht.


Hallo Towanda.

Lass mich bitte eins vorwegschicken:
Ich bin mir bewusst, daß meine Schreibe manchmal lapidar, manchmal ruppig und manchmal Gefühlsduselig rüber kommt.
Es gibt wenig, was mir ferner wäre, als meine Mitmenschen zu verletzen. Ich bin meiner Umwelt grundsätzlich gewogen.
Wenn es zwischen Schreiber und Leser zu Missverständnissen kommt, hat sicher auch die fehlende Mimik ihren Anteil daran. Selbst im persönlichen Gespräch kommt es mitunter vor, und manchmal liegt es auch einfach beim Empfänger. Es ist hier ja immer wieder zu beobachten, wie verschieden einzelne Beiträge aufgefasst werden.

Nun aber zu Deiner Frage, wie gehen wir mit dieser unerquicklichen Situation der hartnäckigen Symptompersistenz um.
Da wird jeder seinen eigenen Weg brauchen. Mir hilft vor allem die jahrelange Übung.
Mir hilft auch zu wissen, der Worst Case, das Ableben, kann auch eine Erlösung sein. Oft genug denke ich, lass es doch endlich zu Ende gehen mit diesem Mist. Die Erfahrung hat mich gelehrt, so schnell stirbt es sich nicht.

Also muss ich irgendwie mit dem Leben, oder was davon übrig ist, zurechtkommen. Mir erscheint wichtig (und fällt schwer), den Zustand anzunehmen. Es geht im Leben nunmal nicht nach meinen Wünschen, sondern nach dem Willen einer übergeordneten Instanz. Was immer das sein mag.
Es gibt ein Gebet, welches ich hier zitieren möchte. Den Begriff Gott kann jeder nach seinem Gusto ändern oder ganz streichen. Ich schreibe ihn mit:

Zitat:Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.
Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
Und die Weisheit, das Eine vom Anderen zu unterscheiden.

Punkt 1 und Punkt 3 fallen mir am schwersten.

Da Du ja schon in meinem Profil geschmökert hast, ist Dir sicher aufgefallen, daß ich noch interessante Komorbiditäten habe. Dein Fachverstand hat Dir sicher auch gesagt, was die Spätfolgen davon bedeuten können.
So überschneiden sich einige Symptome mit denen der Borreliose, insbesondere mit neuronaler Beteiligung. Ich kann nie sicher sein, wenn’s mich aus den Latschen kippt, was ursächlich ist. Ob AB diesmal wirken oder nicht.
Um nicht zu viele sinnlos zu verballern, probiere ich meistens, ohne alles durch zu kommen. Da kommt auch gerne mal ein 3/4 Jahr Ausfall bei rum.
Die finanziellen Existenzängste sind da nicht gerade förderlich. Mit Anfang 50 in Rente zu gehen (das war ein jahrelanger Kampf) macht die Zahlung auch nicht gerade üppig. Erst vor 3 Jahren hat sich meine Lage da entspannt.
Das es immer weiter geht, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann wie, ist die sichere Erfahrung, die ich daraus gezogen habe.

Als letztes möchte ich noch erwähnen, daß der offene Umgang mit Verzweiflung, hier im Forum, mir ganz viele tröstliche, aufbauende, mitfühlende und liebevolle Antworten beschert hat.
Diesen meinen Klagethread lese ich immer dann wieder durch, wenn ich es nötig habe. So brauche ich nicht immer wieder neu zu schreiben.

Ich wünsche Dir, daß sich hier vielleicht ein Grundstock für für Deinen „Trostthread“ entwickelt.

Bei uns hieß es früher immer:
Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist.


RE: Moral vs Selbstaufgabe - Boembel - 06.01.2020

Liebe Towanda,

ich kann aus Deiner Beschreibung sehr gut mitfühlen, insbesonder die Angst davor, wie man den Berufsalltag in diesem Zustand bewältigen soll, wenn nichts mehr gut und man sich selbst ernähren muss. Die Kopfschmerzen und Migräne können einen in den Abgrund treiben und Suizid Gedanken sind mir nicht fremd. Viele meiner Beziehungen und Freundschaften sind am Ende an dieser Krankheit zerbrochen, weil das Verständnis und die Rücksichtnahme fehlte.

Beim letzten Borre Rezidiv war ich am Tiefpunkt angekommen und ich bekomme mit Oxycodon bereits das stärkste Schmerz Medikament (die Ärzte verschreiben einem dann alles, Hauptsache man geht wieder arbeiten und zahlt in die KK ein). Mein Doc hatte dann beim letzten Rezidiv im Bluttest wieder erhöhte IgM nachweisen können und ich bekam Doxy, das hat mir diesmal besser geholfen als vor mehreren Jahren.

Ich habe gelernt, dass man nicht und niemals aufgeben darf. Wenn es nicht dieser Arzt ist, dann ein anderer, der vielleicht helfen kann. Immer wieder fragen, auch sich selbst und seine Auffassung in Frage stellen. Wie Zotti treffend gesagt hat, es wird sich eine andere Tür öffnen, an die man nicht am Entferntesten gedacht hat.

Was mir noch geholfen hat: die Erfahrung, dass Bewegung gut tut. Auch wenn ich mit meinen Bein- und LWS schmerzen stark eingestränkt bin, zwinge ich mich zu leichter Gymnastik. Vor kurzem habe ich mir ein Aerobic Stepbrett geholt (Angebot bei Aldi) und da trainiere ich nun (fast wie in Zeitlupe weil schneller nicht geht) und ohne Musik (ist beim Kopfschmerz bei mir nicht förderlich) so weit wie es halt geht.

Punkt 1 von Zottis Mantra fällt mir am Schwersten: ich kann mich mit dieser f*** Krankheit nicht abfinden und versuche zu Kämpfen und irgendwie eine Besserung zu erzielen. Ich bin quasi eine ständig Suchender, welche Methode, Therapie, NEM habe ich noch nicht ausprobiert. Wenn ich nicht kämpfen würde, dann würde das für mich einer Kapitualation gleichkommen.

Liebe Towanda, hast Du eigentlich eine Möglichkeit, an AB - und sei es nur Doxy- zu kommen? Vielleicht wäre nochmal eine Therapie angezeigt?

Sei lieb gegrüßt,
Bömbel


RE: Moral vs Selbstaufgabe - Borrelienkriegsveteran - 06.01.2020

(06.01.2020, 18:32)Towanda schrieb:  Meine Lieben,

seit nun fast einem Jahr geht es mir gesundheitlich so schlecht, dass ich nicht mehr arbeiten kann und mein Leben komplett auf den Kopf gestellt ist. Ich habe eine Tortur hinter mir, die ihresgleichen sucht. (Nu ja, einige von euch haben Ähnliches erlebt) Bettlägerig für Monate, Schwindel, höllische Schmerzen, konnte nicht mehr aufrecht gehen, Grippesymptome, Übelkeit, schweres Krankheitsgefühl. Zusätzlich noch Demütigungen von Ärzten (alles psychosomatisch) und einige meiner Freunde/Familie haben sich von mir abgewendet, da sie mit der Situation überfordert sind, können mir nicht helfen, wissen nicht wie.
Tatsache ist, dass es mir so immer noch nicht wirklich besser geht. Zwar kann ich wieder aufrecht gehen für eine gewisse Zeit aber ich erreiche keinen stabilen Zustand. Die Feiertage lag ich wieder komplett flach, Ischias und Kopfschmerzen bis zur Migräne haben sich dazugesellt.
Ich soll Ende Monat wieder einen Arbeitsversuch machen. Ich kann mir nicht vorstellen wie das gehen soll. Jetzt bekomme ich Existenzängste da ich befürchte demnächst schlagen die Versicherungen zu. Ich bin ja nur „psychisch krank“ geschrieben.
Ich habe den Eindruck, ihr könnt damit alle besser umgehen und frage mich wie ihr das macht. Ich habe mittlerweile stark suizidale Gedanken, da ich nicht mehr an eine Besserung glaube und nur noch Erlösung möchte.
Auch kann ich mir nicht vorstellen auf Psychoreha gehen zu müssen. Das würde mich kaputt machen.
Wie schafft ihr das nur alle?

Der Glaube an Gott und dass er einen Grund dafür hat, dass ich noch lebe. Ich weiß nicht, ob ich das Ganze sonst nicht schon beendet hätte. Wünsche dir alles Gute und viel Kraft!


RE: Moral vs Selbstaufgabe - Ixodes - 06.01.2020

Hallo Towanda,

wenn du Probleme mit dem aufrechten Gang hast, dann wurden doch sicherlich schon Babesien überprüft, oder? Diese müssten ganz anders behandelt werden als Borrelien. Vielleicht könnte ein Kipptischtest hilfreich sein, um eine orthostatische Dysfunktion zu diagnostizieren.

Liebe Grüße, Ixodes


RE: Moral vs Selbstaufgabe - Ehemaliges Mitglied 1 - 07.01.2020

Towanda, was ich dir noch sagen möchte. Die Diagnose cfs hat bei mir sehr viel verbessert in Bezug auf behördengänge(Chefarzt und psychiator lassen mich seither auch in Ruhe)
Auch in der psycho Reha haben sie diese Diagnose anerkannt und sie zwangen mich nicht zum Programm, sondern Strichen großzügig Termine(vielleicht hilft mir das beim Verfahren) .
Ich musste aber erst 400 km fahren um zu einen Arzt zu kommen, der cfs diagnostiziert. Heart


RE: Moral vs Selbstaufgabe - berta - 07.01.2020

Hallo Towanda,

das tut mir Leid. Und nein, die anderen können nicht besser mit der Misere umgehen, sondern immer mal wieder denkt man, alle anderen können besser mit der Misere umgehen.

Und: Die lieben Mitmenschen gehen einem auf die Nerven, weil sie die Situation nicht verstehen. Aber andere als diese Mitmenschen hat man leider nicht. Man schwankt zwischen Einsamkeit und unerfreulichen Begegnungen.

Könntest du dir vorstellen, dass dir eine Psychotherapeutin hilft? Eine, die dich nicht bequatscht und in die Psychoecke schiebt, sondern hilft, die besch. Lage besser auszuhalten? Persönlich habe ich mit zunehmendem Alter überraschend die Erfahrung gemacht, dass deutlich jüngere Therapeutinnen weniger die Psychoecke bedienen als ältere... "Professionelle Psychos" haben auch den Vorteil, dass sie nicht von deiner Krankheit betroffen sind, so wie Angehörige, die selber Angst haben oder (ja leider auch Recht) genervt sind, weil so viel an ihnen hängen bleibt. Die probatorischen Sitzungen werden von den meisten Kassen bezahlt (ca 5 +-), und die reichen vielleicht ja schon.

Und: Gibt es irgendetwas, das du dir leisten kannst, mit dem du dich trotz aller Symptome etwas ablenken und entspannen kannst? Ruhig etwas Banales: Fernsehen, Hörbuch (Bücherei, kostenlos auf Youtube) oder Ausmalen (Malbuch für Erwachsene) oder Stricken oder Rätsel. Dabei findet sich sicher nicht die Lösung, aber man kann mal geplant abschalten
Und bei ernsthaften Suizidgedanken: Hol dir bitte Hilfe. Wenn du "erst" gut ein Jahr krank bist, kann noch gar nicht alles an Therapie ausgereizt sein. Ich erwähne jetzt mal nicht, nach wie langer Behandlung manche erst langsame Fortschritte machen, da das auch entmutigt. Aber bei einem Jahr, egal wie schrecklich es war, ist wirklich noch was drin.

Herzliche Grüße und halte uns bitte auf dem Laufenden
Berta

PS Mit Vitamin D alles ok? Ist gerade eben auch sehr dunkel...


RE: Moral vs Selbstaufgabe - P.Materna - 07.01.2020

HALLÖ Towanda ! Ich bin schon sehr lange krank ,seit 1994 ,auch ich verlor alles ,hätte mann mich eher behandelt ,verlor meine Arbeit ,meine erste ehe, meine freunde ,und bekannten .Konnten mit meinen krankheit nicht umgehen..ich gehe oft spatzueren ,wenn auch nicht weit ,lesen ,stricke für alle socken ,beruhigt die Nerven .ich bin seit 6jahren erneut verheiratet .Und fand einen guten Hausarzt , Der Kampf hat sich gelohnt. BEKOMME EINE kkeine rente ,mein mann geht arbeuten ,der ist auch krank .Einmal im Jahr fahren wir an die ostsee oder nordsee..Ich freue mich immer..Immer positiv denken .gruss Oetra


RE: Moral vs Selbstaufgabe - johanna cochius - 07.01.2020

Hab dir PN geschrieben...