Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
zeckenschiss - 17.11.2015
Liebe Gemeinde,
bin am verzweifeln, da es mir ausgesprochen bescheiden geht (Abgeschlagenheit, Müdigkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, massive Verdauungsprobleme u.a. mit Verstopfung und Stechen im Darmtrakt, ...).
Ingesamt weise ich viele "unspezifische" Symptome auf, die in den Borreliose-Symptomlisten auftauchen und die beiden beigefügten Befunde:
Anfang Juni 2015
siehe 1. angehängtes Bild
Mitte Juli 2016
siehe 2. angehängtes Bild
Könnte das eine chronische Borreliose sein (hatte im Kindes- und Jugendalter einige Zecken)? Welche Therapie würde man da wählen?
Über jedwede Antwort freue ich mich.
Grüße
zeckenschiss
Hallo Zeckenschiss,
ich habe mir erlaubt, bei Deinen Attachments etwas aufzuräumen, da sie vorher jede Monitorbreite sprengten und sowieso doppelt waren.
Gruß Moderator
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
urmel57 - 17.11.2015
Hallo,
willkommen im Forum . Wenn die Ergebnisse im selben Labor gemacht wurden, würde das für mich so aussehen, wie eine unbehandelte Neuinfektion nicht mehr in der ganz frühen Phase , mit deutlichen eigentlich ziemlich deutlichen Banden, derer sich dein Körper in gewissem Maße selbst erwehrt hat.
Könnte aber auch eine Reaktivierung einer alten Infektion gewesen sein.
Wenn du Beschwerden hast, würde ich eine aktive Lyme-Borreliose für sehr wahrscheinlich halten. Wahrscheinlich arbeitet dein Immunsystem auch gut mit, aber ich würde es durch eine ordentliche antibiotische Behandlung schon mal gut unterstützen wollen.
Musst nur sehen, dass deine Beschwerden, wenn sie nicht ganz spezifisch sind, von einem Arzt ernstgenommen werden. Dafür gibt es keine Leitlinien.. Man könnte sich höchstens an den Behandlungsempfehlungen der Deutschen Borreliosegesellschaft orientieren.
Andernfalls wäre es ein Zufallsbefund und deine Beschwerden kämen von was anderem, was auch nicht auszuschließen ist. Die Frage ist nur, was wahrscheinlicher ist.
Hast du denn irgendwelche auffälligen Hauterscheinungen? Auch das wäre ein guter weiterer Anhaltspunkt. Ansonsten kann man leider alleine an den Anitkörpern nicht gut sehen, ob eine aktive Erkrankung vorliegt, da man diese auch bei klinisch Gesunden finden kann.
Liebe Grüße Urmel
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
Markus - 17.11.2015
(17.11.2015, 16:24)urmel57 schrieb: Ansonsten kann man leider alleine an den Anitkörpern nicht gut sehen, ob eine aktive Erkrankung vorliegt, da man diese auch bei klinisch Gesunden finden kann.
Also wenn sich der IgG-Titer innerhalb einiger Wochen verdoppelt kann man wohl schon von einer aktiven Infektion ausgehen.
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
johanna cochius - 17.11.2015
Hallo Zeckenschiss (lustiger Name:-))
ich nehme an Dir ging es schon vor dem ersten Test nicht gut, dass dieser dann veranlasst wurde?
Warum hat der Arzt im Juni nicht reagiert?
Du hast eine positive Serologie und in Zusammenhang mit Deinen Beschwerden hätte eine Therapie eingeleitet werden müssen. Das ist zumindest meine Meinung...
Ich würde noch Yersinien (Magen-Darmbeschwerden) und die Schilddrüse testen lassen, auch Vit.D wäre sinnvoll.
Warst du mal bei einem Gastroenterologen?
Ich würde einen Arzt suchen der das ernst nimmt und einen Behandlungsversuch startet.
LG Jo
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
urmel57 - 17.11.2015
(17.11.2015, 17:06)Markus schrieb: (17.11.2015, 16:24)urmel57 schrieb: Ansonsten kann man leider alleine an den Anitkörpern nicht gut sehen, ob eine aktive Erkrankung vorliegt, da man diese auch bei klinisch Gesunden finden kann.
Also wenn sich der IgG-Titer innerhalb einiger Wochen verdoppelt kann man wohl schon von einer aktiven Infektion ausgehen.
Markus die Frage ist, ob das im selben Labor gemacht wurde, aber ansonsten sehe ich es auch als eher aktive Infektion.... Die andere Sache ist die, dass man das bei klinisch Gesunden dann auch finden könnte, wenn man suchen würde. Der Titer ist allerdings schon ziemlich hoch, so dass der Verdacht schon naheliegt, dass die Beschwerden damit zu tun haben. Die liegen ja vor und wenn es sonst keine Anhaltspunkte für andere Erkrankungen gibt, würde ich da auch was machen wollen.
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
Markus - 17.11.2015
(17.11.2015, 20:10)urmel57 schrieb: Die andere Sache ist die, dass man das bei klinisch Gesunden dann auch finden könnte, wenn man suchen würde.
Das höre ich ständig von irgendwelchen Ärzten. Aber gibt es dazu wirklich Untersuchungen? Zu dem Thema ist mir nur die Untersuchung von Hassler geläufig, und dieser fand, dass alle seropositiven Patienten innerhalb von 8 Jahren symptomatisch wurden. Insofern ist ein erhöhtes IgG Ausdruck einer persistierenden Infektion, die möglicherweise auch eine zeitlang asymptomatisch verlaufen kann. Ist es das was du mit "klinisch Gesunden" meinst?
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
urmel57 - 17.11.2015
Ja Markus, da gibt es einige Untersuchungen dazu.
1.
Hassler hat vielleicht auch nur die Leute gesehen, die dann auch tatsächlich krank waren, sonst wären sie ja nicht zum Arzt gegangen. Eine kontrollierte Studie war das auch nicht, was er da veröffentlich hat. Es wurde meines Wissens auch lediglich in einer Patientenzeitschrift publiziert und damit konnte die Methodik nicht nachvollzogen werden, was den wissenschaftlichen Wert leider stark senkte. (BW14)
Ich gebe dir mal ein Beispiel einer weiterer Untersuchung.
2.
http://link.springer.com/article/10.1023%2FA%3A1007404620701#page-1
European Journal of Epidemiology
February 1998, Volume 14, Issue 2, pp 117-123
Longterm survey (7 years) in a population at risk for Lyme borreliosis: What happens to the seropositive individuals?
H. Fahrer, M.J. Sauvain, E. Zhioua, C. Van Hoecke, L.E. Gern
Zitat:In 1986, a 26% seroprevalence of IgG- anti-Borrelia burgdorferi antibodies was observed among 950 orienteers and the incidence of new clinical infections was 0.8%. In 1993, a total of 305 seropositive orienteers were reexamined. During that time, 15 cases (4.9%) of definite/probable Lyme disease occurred in this seropositive group (12 skin manifestations and 3 monoarticular joint manifestations). Among the 12 definite cases, 9 showed new clinical infections (7 EM, 1 acrodermatitis chronica atrophicans, 1 arthritis), and 3 were recurrent (2 EM, 1 arthritis). The annual incidence (0.8%) in this seropositive group was identical to the incidence observed among the whole population in 1986. The individual antibody titer decreased slightly but the seroreversion rate was low (7%). Serology was not very helpful in identifying clinical cases and evolutions, and it can be stated, that a positive serology is much more frequent in this risk group than clinical disease.
Zusammengefasst:
1986 wurden 950 Orientierungsläufer auf Borrlienantikörper untersucht. Davon zeigten 26% positive Antikörper und 0,8 % Anzeichen einer klinische Neuinfektion. 1993 also 7 Jahr später wurden 305 seroposistive Läufer nochmal untersucht. Während der Zeitspanne erkrankten 15 wahrscheinlich oder sicher mit Hautmanifestationen oder Gelenkerkrankungen. Unter den 12 sicheren Fällen waren 9 mit frischer Infektion /7EM, 1 ACA, 1 Arthritis) und drei waren wiederkehrend (2 EM , 1 Arthritis) . Die jährliche Inzidenzrate der seropositiven Gruppe war identisch mit der in 1986. Der individuelle Antikörpertiter sank leicht aber die Seroreversion war gering (7%). Die Serologie war nicht hilfreich klinische Fälle und deren Entwicklung zu indentifizieren und es wurde festgestellt, dass eine positive Serologie sehr häufiger in der Risikogruppe ist als eine klinische Erkrankung .
3. Ebenso gibt es die sogenannte
Waldarbeiterstudie:
http://edoc.rki.de/documents/rki_fv/reqh1b6x2fBN2/PDF/242vqf0Yvy.pdf
Lyme-Borreliose:
In der gesamten Risikogruppe ergab sich eine Seroprävalenz (IgG-EIA, IgG-Western-Blot positiv) von 29%. In einer nach Zufallskriterien zusammengesetzten Stichprobe von 225 der 499 Probanden wurde eine Seroprävalenz von 25,3% gefunden. Die Probanden in dieser Gruppe gaben jedoch nur zu 10,2% anamnestisch eine diagnostizierte und behandelte Lyme-Borreliose an. Diese Diskrepanz zwischen Seroprävalenz und klinischer Prävalenz weist auf eine nicht unbedeutende Zahl von asymptomatischen oder auch bisher nicht diagnostizierten Fällen hin
Wichtig ist allerdings bei derlei Untersuchungen, dass man sich immer auf die spezifischen Symptome wie EM, ACA, Arthritis und definierte LNB bezieht. Interessant wäre es aber auch gerade die unspezifischen Symptome mitzubetrachten. Da kommen Untersuchungen aber meist zu dem Ergebnis, dass da kein Unterschied zur gesunden Bevölkerung existiert. Womit die Definition zu "gesund" schon ziemlich schwierig ist. Das passiert leider auch bei behandelten Patienten, dass diese als "gesund" definiert werden, alleine weil nur die spezifischen Parameter im Besonderen und die nichtspezifischen untergeordnet betrachten werden.
Ich gebe dir jedoch vollkommen Recht, wenn man da skeptisch bleibt und das im Indivualfall genauer betrachtet auch über die 7 Jahre hinaus. Nur kommen im Laufe der Zeit möglicherweise so viele Sachen, die man als Krankheitsursache (andere Infektionen, Umweltgifte, Unfälle, Fehlernährung, genetische Veranlagungen etc.) definieren könnte dazu, so dass man dann unspezifische Symptome nicht mehr eindeutig zuordnen kann - was ja nicht heißen muss, dass es keine kausalen Zusammenhänge zur Borrelieninfektion geben kann, man kann sie aber eben nicht beweisen und das macht uns allen hier ja das Leben so schwer, eine ordentliche Diagnose und damit auch Behandlung zu bekommen.
Dem eine hilft dies, dem anderen das und zum Schluss weiß man oft gar nicht, was genau man alles mitbehandelt hat, ohne zu ahnen was das denn tatsächlich war. So erkläre ich mir viele Erfolge, die mit Mitteln erzielt werden, die auch nachweislich keine Borrelien elimineren. Und das ist es über was die Menschen hier im Forum berichten, was so vielfältig und teilweise kontrovers wirkt.
Wir können daher hier nur gemeinsam versuchen, diesen Aspekt aufzugreifen und zu fordern, dass Behandlungsversuche jeder Art unternommen werden können, solange Borreliose als Ursache nicht ausgeschlossen werden kann oder sogar wahrscheinlich ist. Welcher Weg dafür der Richtige ist, das denke ich soll das Patientenrecht sein, das selbst mitentscheiden zu können, dafür sollte man sich aktiv einsetzen. Dazu gehört eben auch die Behandlung mit Antibiotika, wenn Aussicht auf Erfolg besteht. Allerdings wäre der nächste Schritt auch die Anerkennung der Krankenkassen, die dann auch die Therapien mittragen sollten.
Ich würde mich freuen, wenn mal Studien auf den Tisch kämen, die die Langzeitfolgen von Infektionen aller Art noch genauer auf den Tisch brächten. Solange müssen wir leider mit dem leben was da ist - und das Beste draus machen, was immer der eine oder andere darunter versteht...... Manchmal ist es auch nur das B€st€ .....
Grüße vom Urmel
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
Markus - 18.11.2015
(17.11.2015, 21:37)urmel57 schrieb: Ja Markus, da gibt es einige Untersuchungen dazu.
1. Hassler hat vielleicht auch nur die Leute gesehen, die dann auch tatsächlich krank waren, sonst wären sie ja nicht zum Arzt gegangen. Eine kontrollierte Studie war das auch nicht, was er da veröffentlich hat. Es wurde meines Wissens auch lediglich in einer Patientenzeitschrift publiziert und damit konnte die Methodik nicht nachvollzogen werden, was den wissenschaftlichen Wert leider stark senkte. (BW14)
Meines Wissens hat Hassler diese Untersuchung im Rahmen seiner Habilitation gemacht und verweist auch auf seine Habilitation als Literaturstelle. Warum das nicht in einem medizinischen Journal veröffentlicht wurde entzieht sich meiner Kenntnis und hat mich auch schon gewundert.
Probanden waren dort m.W. nicht vorselektierte Einwohner von Kraichtal und dort fand sich, dass alle mit IgG-AK innerhalb von spätestens 8 Jahren symptomatisch wurden. Ich zweifle nicht daran, dass es asymptomatische Infizierte gibt. Woran ich aber zweifle ist, dass bei wirklich ausgeheilten Patienten über Jahre hinweg Antikörper persistieren im Sinne einer Seronarbe, so wie das landläufig behauptet wird.
Zum Beispiel meinte ein ehemaliger Chefarzt der Inneren zu mir: "IgM persistieren nach ausgeheilter Infektion lebenslänglich, wie bei Hepatitis."
Deine Studien werde ich mir bei Gelegenheit anschauen.
Aber zurück zum Thema: Bei diesen Blutwerten sollte man eine chronische Borreliose dringend in Erwägung ziehen. Eine Antibiose ist meiner Meinung nach mehr als gerechtfertigt. Parallel dazu würde ich versuchen differentialdiagnostisch alles mitzunehmen.
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
urmel57 - 18.11.2015
(18.11.2015, 17:10)Markus schrieb: Woran ich aber zweifle ist, dass bei wirklich ausgeheilten Patienten über Jahre hinweg Antikörper persistieren im Sinne einer Seronarbe, so wie das landläufig behauptet wird.
Zum Beispiel meinte ein ehemaliger Chefarzt der Inneren zu mir: "IgM persistieren nach ausgeheilter Infektion lebenslänglich, wie bei Hepatitis."]
....
Sehe ich aus so... Warum sollten die persistieren, wenn sie nicht immer wieder einen Stimulus bekommen - nur reagieren IgM angeblich auch öfter kreuz mit anderen Erregern, auch Viren. Das Problem ist bei IgM angeblich größer als bei IgG. Da machen die Hersteller der Tests auch keine eine anständigen Studien dazu...... Da gibts noch viele
Zitat:Aber zurück zum Thema: Bei diesen Blutwerten sollte man eine chronische Borreliose dringend in Erwägung ziehen. Eine Antibiose ist meiner Meinung nach mehr als gerechtfertigt. Parallel dazu würde ich versuchen differentialdiagnostisch alles mitzunehmen.
Würde ich bei entsprechenden Beschwerden auch so machen.
RE: Chronische Borreliose? (Bitte um Befundinterpretation) -
zeckenschiss - 19.11.2015
Allerbesten Dank für eure Antworten. Danke auch an den Mod für's optische Aufwerten meines Postings.
Die AK-Werte stammen aus demselben Labor, sind also vergleichbar.
Differenzialdiagnostisch bin ich dran: Endgültige Ergebnisse von Koloskopie, Magenspiegelung und Vitalstofflabor stehen noch aus. Standard-Labor ist bis auf folgende Auffälligkeiten gut:
- Leukozyten 3,4 TSD (erniedriegt)
- HB 13,4 g/dl (erniedrigt, Werte zwischen 12 und 14 sind bei mir seit Beginn meiner Beschwerden "normal")
- Erytrozyten 4,5 Mio (erniedrigt, auch das ist bei mir üblich)
- Neutrophile 1,81 (erniedrigt)
Nachmittags geht's mir aktuell besonders schlecht: Bleierne Müdigkeit, Gefühl überhaupt nicht mehr klar denken zu können. Und meine Verdauung bereitet mir 2-4 Stunden nach den Mahlzeiten stets Probleme. Es ist ein Trauerspiel.