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Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Druckversion

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Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Heinzi - 04.12.2015

Hallo zusammen,

ich würde hiermit gerne einen Sammel-Thread "aufmachen" mit dem Thema "Seronegative Borreliose" und den folgenden zwei Fragen:

a) Existenz der seronegativen Borreliose. Welche wissenschaftlichen Publikationen in begutachteten Zeitschriften gibt es, in denen nachgewiesen wird, dass sich bei manchen Patienten trotz eindeutigem Borrelien-Infekt (z. B. EM, Anzucht aus Gewebeprobe) keine Antikörper im Serum finden lassen? Von Interesse wäre hier meiner Meinung nach insbesondere ein Fehlen der IgG. Den trivialen Fall "Antikörper bilden sich bei EM erst nach einiger Zeit" können wir ausklammern, denke ich.

b) Potenzielle Ursachen einer Seronegativität bei Infektionen. Was sind mögliche Gründe bzw. Ursachen für eine Seronegativität? Gibt es dazu wissenschaftliche Publikationen oder Studien? Gibt es Seronegativität bei anderen Infektionen und falls ja bei welchen? Es werden oft "Immundefekte" genannt; aber welche sind das? Andere Gründe: Uns unbekannte Spezies? Versagen der Tests? ... Welche Laboruntersuchungen sollte z. B. jemand machen lassen bei Vd. auf seronegative Borreliose?

Es würde mich freuen, wenn jemand dazu beiträgt.

Heinzi


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Heinzi - 04.12.2015

Es gibt laut diesem Artikel seronegative HIV-Infektionen:

Bártolo I et al. Rapid clinical progression to AIDS and death in a persistently seronegative HIV-1 infected heterosexual young man. AIDS 2009 Nov 13; 23:2359.

Dies ist ein Hinweis, dass bei diesem Virus sehr selten eine Seronegativität existiert; und es kann eine Ursache für eine unerkannte Immunschwäche sein.


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Markus - 04.12.2015

Ob das deinen Kriterien genügt, weiß ich nicht, aber Klemann und Huismans haben eine retrospektive Studie mit 102 Patienten veröffentlicht. Die Diagnose Borreliose wurde da mittels PCR oder Anzucht gesichert, alle im chronischen Stadium. IgM in ca. 10% der Fälle positiv, IgG in ca. 50%.


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Heinzi - 04.12.2015

Dattwyler und Kollegen beschreiben in ihrem 1988er Artikel in dem renommierten New England Journal of Medicine mehrere Fälle von seronegativen Borreliosen.

Seronegative Lyme Disease
Raymond J. Dattwyler, et al.
N Engl J Med 1988; 319:1441-1446

Frei übersetzt: Obwohl Patienten klinisch eine aktive Erkrankung vorwiesen, hatte keiner diagnostischen Mengen an Antikörpern gegen B. burgdorferi. Die Höhe der Immunglobulin-Reaktivität gegen B. burgdorferi im Westernblot in dem Serum war nicht größer als im Serum von gesunden Probanden.

Wieso hält sich die schulmedizinische Meinung, dass es keine seronegativen Borreliosen gibt, teilweise sogar bei "Spezis" (so weit ich weiß z. B. Hassler)?!


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - super+ - 04.12.2015

Zitat:Hassler:
Seronegative Borreliosen gibt es nicht! Wenn ein Erreger einen Menschen krank macht, so entstehen die Krankheitssymptome hauptsächlich durch die Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Erreger. Die Abwehrzellen schicken Botenstoffe wie Interleukine aus, die ja dann für die Symptome, zum Beispiel das Grippegefühl verantwortlich sind. Wenn also das Immunsystem den Erreger erkennt, bildet es auch meßbare Antikörper. Das ist bei allen Infektionskrankheiten so, warum sollte es bei der Borreliose anders sein?

Eine richtige Erklärung ist das nicht. Eher eine Schlussfolgerung.


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Regi - 05.12.2015

Patienten mit lebenden Borrelien in Körperflüssigkeiten hatten nur wenige bis gar keine Antikörper nachweisbar:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12422608

Zitat:Seronegative Borreliosen gibt es nicht! Wenn ein Erreger einen Menschen krank macht, so entstehen die Krankheitssymptome hauptsächlich durch die Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Erreger. Die Abwehrzellen schicken Botenstoffe wie Interleukine aus, die ja dann für die Symptome, zum Beispiel das Grippegefühl verantwortlich sind. Wenn also das Immunsystem den Erreger erkennt, bildet es auch meßbare Antikörper. Das ist bei allen Infektionskrankheiten so, warum sollte es bei der Borreliose anders sein?
Warum sollte es bei der Borreliose anders sein? Vielleicht weil sich die Erreger vor dem Immunsystem tarnen?
https://idw-online.de/de/news103418
Kein Mensch weiss, in welcher Art das Immunsystem dann auf den Erreger reagiert. Vielleicht mit einer Entzündung, wie es auf einen Fremdkörper reagiert? Borrelien sind ja vergleichsweise grosse Bakterien. Oder indem es körpereigene Strukturen angreift, weil es in der Verwirrung nicht weiss, was die richtige Reaktion ist?

LG, Regi


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Mainz06 - 05.12.2015

Mir geht es ja ähnlich.

AK negativ, auch jetzt nach 10 Monaten AB. Auch der zweite LTT den ich jetzt gemacht habe, ist merkwürdig. Mal sehen was mein Spezi dazu sagt.

Den Text von Hassler hatte ich auch lange geglaubt und aufgrund dessen (das er eigentlich sehr fundierte Arbeiten über die B geschrieben hat) auch immer Zweifel. Aber meine Beschwerden und die deutliche Verbesserung durch AB, mit dem Hinweis durch einen positven LTT, wirft die Frage auf, was es sonst sein sollte, wenn es keine Borreliose ist, was mich quält.

Hier noch als Ergänzug mein damaliger Thread zur Seronegativität
http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=7184


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Luddi - 05.12.2015

Ich glaube auch, dass es seronegative Verläufe gibt. Eine Erklärung kann eine frühe Antibiose sein. Ein weiterer Grund ist vermutlich, dass die Tests einfach nichts taugen. Ich hatte wieder mal einen Versuch gestartet und in einer Woche in drei Laboren einen Westernblot machen lassen:

Im ersten Labor 2 Banden
Im zweiten Labor 2 (andere) Banden
Beim NRZ keine Banden

gefunden.

Gleichzeitig im Chroniker Labor positiver IFT und beim IMD positiver LTT. Ich glaube also nicht so sehr, dass die Vorgänge in meinem Körper so speziell sind, dass (nicht immer) Antikörper nachgewiesen werden können, sondern dass vielmehr die Vorgänge in den Laboren der Grund sind. (Ist aber alles nur Spekulation).

lg luddi


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Valtuille - 05.12.2015

Man muss hier sehr klar differenzieren:
Studien, die aus den USA stammen können nicht auf Europa übertragen werden, da wir andere Tests und Interpretationskriterien haben. US-Tests (bzw. Tests mit nur einem Stamm) funktionieren in Europa nicht.
Studien die schon etwas älter sind, werden mit dem Argument abgetan, dass die Tests sich inzwischen deutlich verbessert haben, durch die Einführung rekombinanter Antigene.

In der Studie von Klemann war bei 20% die Serologie unauffällig. Jedoch wurde meines Wissens nur in einem Labor untersucht, was bedeutet, dass die Personen in anderen Tests durchaus hätten positiv testen können.
Beachten muss man jedoch, dass bei einigen Patienten noch PCRs aus Urin gemacht wurden, was sofort angefochten wird. Zudem wird die offizielle Seite vermutlich sofort mit falsch positiven PCRs oder Kulturen kommen, was bislang bei den meisten Veröffentlichungen, die in die Richtung gingen, gemacht wurde.


Als Gründe sind bekannt:
-Immundefekt/ supprimiertes Immunsystem (wird jedoch meist nicht näher erläutert - bekannt ist das bei immunsupprimierenden Medikamenten). Jüngeres Beispiel zu akuter Neuroborreliose unter Rituximab, was dann für die Seronegativität verantwortlich gemacht wird. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3604215/
-Zu früher Test (nicht nur EM, auch im disseminierten Stadium, d.h. bei akuter Neuroborreliose, Lyme-Carditis kann es u.U. noch zu negativen Antikörpern kommen).
-Unzureichende Antibiose im Frühstadium (in die Richtung geht die erwähnte Studie von Dattwyler, wobei die Autoren heute sicherlich etwas ganz anderes als damals sagen dürften), hier gibt es jedoch schon wieder die unterschiedlichen Ansichten, dass so etwas nur dann vorkommt, wenn die Therapie auch erfolgreich war und nicht bei persistierenden lebenden Erregern. Wird u.a. auch hier diskutiert:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22320037


-Beachten muss man, gilt letzten Endes vor allem für Europa, dass es keine standardisierten Tests gibt.
Es gibt dazu aus den Niederlanden einige interessante Studien, die jüngste ist wenige Monate alt.
Da wurde im Vergleich mehrerer Assays festgestellt, dass einige Patienten mit Spätborreliose bei einigen neueren Tests negativ testeten, jedoch in anderen einen positiven Test hatten, was nicht als seronegativ durchgeht, da die Antikörper vorhanden sind, jedoch nur einem bestimmten Test nicht erkannt wurden.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26286381
Das liegt zum anderen an der Heterogenität der Tests, die teilweise ganz unterschiedliche Antigene verwenden, zum anderen auch an der Heterogenität der Wildstämme.

Jüngere Fallberichte von serongativen Borreliosen bei den klinisch hinweisenden Manifestationen des Spätstadiums, die einer kritischen Überprüfung standhalten, gibt es nur wenige.
Allgemein gibt es - mit Ausnahme der Studie von Klemann und Huismanns - nur einen Fallbericht aus den frühen 2000er zu seronegativer ACA.


Prinzipiell ist es immer so, dass es keine 100%igen Tests gibt. D.h. es existiert, wie bei jedem Test, immer die Wahrscheinlichkeit, dass man falsch negativ oder falsch positiv testet (letzteres wird gerne übersehen, ist aber ein ziemliches Problem, wenn man den positiven Vorhersagewert berücksichtigt). Es wird nicht bestritten, dass es sowas überhaupt in sehr, sehr seltenen Fällen geben kann, lediglich, dass es so häufig vorkommt, wie es die Gegenseite behauptet.


RE: Seronegativität und ihre Gründe (Sammelthread) - Heinzi - 05.12.2015

Isolation and polymerase chain reaction typing of Borrelia afzelii from a skin lesion in a seronegative patient with generalized ulcerating bullous lichen sclerosus et atrophicus
Br J Dermatol. 2001 Feb;144(2):387-92.
http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=640

.. beschreibt den Fall einer Frau mit einer chronisch entzündlichen Bindegewebserkrankung, bei der Borrelioen gefunden wurden (Biopsie, Silberfärbung, PCR). Behandlungen mit Ceftriaxon konnten den Verlauf nur kurzzeitig stoppen. Die Borrelienserologie war negativ.