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Chronische Borreliose? - Druckversion

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Chronische Borreliose? - kimschmitz - 29.12.2015

Hallo hier im Forum,

ich bin neu hier und habe eine dumme Frage:

Mein Hausarzt hat bei mir (M./42) vor einem Monat eine Blutuntersuchung durchgeführt. Da ich zu dieser Zeit bereits seit einigen Wochen an Rückenschmerzen (im mittleren Bereich) litt, deren Ursache nicht klar war, wurden auch die Borrelien Werte erfasst, hier ist das Bild:

Screencast

[Bild: 2015-12-29_2124.png]


Mein Arzt meinte nun es wäre alles OK, ich hätte wohl mal eine Borreliose gehabt, diese liegt allerdings in der Vergangenheit und stellt kein Problem mehr da. Da ich bewusst nie Borreliose hatte, mein Arzt auf diesem Gebiet kein Spezialist ist, und die Rückenschmerzen weiterhin vorhanden sind, hätte ich gerne noch eine zweite Meinung.
Was ratet ihr mir, ist es auf Grund der Werte ratsam einen Spezialisten zu Rate zu ziehen?

Danke schon mal!

Kim


RE: Chronische Borreliose? - Regi - 30.12.2015

Hallo Kim

Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten. Wink

Bei dir sind die IgG positiv sowohl im ersten Suchtest (EIA, ELISA) als auch im Bestätigungstest (Blot). Das Testergebnis ist somit eindeutig positiv. Die IgG-Antikörper (AK) werden in der Regel erst später im Verlauf der Krankheit gebildet. Die p100 ist eine Bande der späteren Stadien. Das VlsE beweist den Kontakt des Immunsystems mit Borrelien. Ob die Infektion noch aktiv ist oder nicht, können die AK-Tests nicht beantworten, denn AK können auch nach überstandener Borreliose lange positiv bleiben (Seronarbe). Zum Thema Labordiagnostik werde ich dir am Schluss meines Beitrages noch eine meiner Textkonserven mit allgemeinen Infos reinkopieren. Wenn du etwas nicht verstehst, dann frage nach. Es dauerte bei mir auch lange, bis ich nur halbwegs einen Durchblick hatte.

Bei vielen Infektionen gilt, dass positive IgG ohne positive IgM und/oder IgA von einer ausgeheilten Infektion stammen. Für die Borreliose gilt das nicht. Möglicherweise geht dein Arzt davon aus, dass für Borreliose dasselbe gilt wie für andere Infektionen. Oder er hat sich irgendwo informiert, wo man ihm sagte, dass Rückenschmerzen kein Borreliose-Leitsymptom seien und eine aktive Borreliose deshalb ausgeschlossen wäre. Wenn du ausschliesslich Rückenschmerzen hast, wäre ich auch eher vorsichtig, eine Borreliose-Diagnose daraus zu basteln ohne Kenntnisse, welche andere möglichen Ursachen durch welchen Facharzt bereits ausgeschlossen wurden. Kommt halt darauf an, welcher Art deine Rückenschmerzen sind. Wenn sie mit einem Bannwarth-Syndrom resp. einer Radikulitis vereinbar wären, dann wäre die Diagnose zusammen mit deinem Testergebnis eher wahrscheinlich. Geltende Lehrmeinung verlangt bei Verdacht auf Neuroborreliose (Befall des Zentralen Nervensystem) zusätzlich einen positiven Test aus Nervenwasser (Liquor). Unsere Spezis sehen das anders, weil der Verdacht besteht, dass dieser Test zu häufig falsch negativ ausfällt. Bei positiver Liquordiagnostik wäre eine aktive Infektion praktisch gesichert.

Leider sind sich die Experten nicht einig, wann eine Borreliose diagnostiziert werden soll und wann nicht. Dass die Tests nichts taugen und die Symptome der späteren Stadien allesamt durch andere Krankheiten verursacht werden können, macht die Sache nicht einfach. Für Neulinge empfiehlt es sich, sich über den Expertenstreit zu informieren, damit man nicht ständig mit abgesägten Hosen in der Praxis steht, weil schon wieder einer was anderes erzählt. Im folgenden Link findest du eine grobe Übersicht.
http://www.borreliose-nachrichten.de/wp-content/uploads/2011/12/Schweiz-med-RID-Foundation-20071.pdf

Die Diagnose basiert auf Vorgeschichte (erinnerlicher Zeckenstich oder Zeckenexposition durch Hobby, Beruf, freilaufende Haustiere), Verlauf (erinnerliche Wanderöte? Sommergrippe?), Symptomen, Ausschluss anderer möglicher Krankheiten und Tests. Am Ende resultiert eine Wahrscheinlichkeit für oder gegen eine Borreliose, der nur mit einem Therapieversuch begegnet werden kann. Die Entscheidung, ob und wie therapiert wird, sollte der Patient mit entscheiden können, was leider oft nicht der Fall ist.

Zitat: ist es auf Grund der Werte ratsam einen Spezialisten zu Rate zu ziehen
Kann ich so nicht beantworten, weil Werte allein nichts aussagen und ich ungenügende Infos habe über Vorgeschichte, Verlauf, Beschwerden (Rückenschmerzen ist ein sehr allgemeiner Begriff) und welche anderen möglichen Ursachen bereits ausgeschlossen wurden. Wenn andere mögliche Ursachen durch einen versierten Neurologen, Orthopäden und evtl. Rheumatologen bereits so gut wie möglich ausgeschlossen wurden, würde ich deine Frage klar mit einem "Ja" beantworten. Ich würde dann aber auf jeden Fall einen von der Selbsthilfe empfohlenen Spezi aufsuchen. Aber auch bei diesen Spezis darf man ruhig kritisch sein. Mittlerweile gibt es solche, die die Borreliose für sich als Goldgrube entdeckt haben und/oder für die praktisch alles Borreliose sein soll.

Ich würde an deiner Stelle einen Termin bei einem von der Selbsthilfe empfohlenen Spezi reservieren. Die Diagnose ist das Eine. Bei der Therapie ist man sich leider auch nicht einig. Unsere Spezis dosieren länger und höher. Meiner Meinung sollte man den Viechern gehörig eins auf die Mütze geben, wenn man schon therapiert. Bei einer kurzen und niedrigen Dosierung weiss man schlussendlich nicht, ob eine höher dosierte Therapie geholfen hätte. Parallel dazu würde ich dafür sorgen, dass andere mögliche Ursachen durch einen Neurologen, Orthopäden und evtl. Rheumatologen so gut wie möglich ausgeschlossen werden können, wenn nicht schon geschehen. Möglicherweise hast du schon die Ergebnisse der Differentialdiagnostik, bis du einen Termin bei einem Spezi hast, denn die Wartezeiten sind teilweise lang.

Sorry für den langen Text, aber jeder Fall ist wieder anders und ich möchte so seriös wie möglich beraten.

LG, Regi

Hier noch die versprochene Textkonserve zur Labordiagnostik:

Die Diagnose ist unter Experten umstritten. Es gibt bis heute keinen zuverlässigen Test, der eine Borreliose sicher ausschliessen könnte. Nach gelteder Lehrmeinung darf nur Borreliose haben, wer bestimmte Symptome aus einem eng definierten Katalog vorweisen kann und dazu auch noch positive Antikörper-Tests und bei der Neuroborreliose positive Liquorergebnisse. Unsere praxiserfahrenen Spezis sehen das anders. Es ist deshalb für jeden Betroffenen unumgänglich, sich über die strittigen Punkte zu informieren, da er sonst im Gespräch mit einem Nicht-Borreliose-Spezialisten komplett auf verlorenem Posten steht. Hier findest du Informationen über die strittigen Punkte:
http://www.borreliose-nachrichten.de/wp-content/uploads/2011/12/Schweiz-med-RID-Foundation-20071.pdf


Was bedeuten meine Laborbefunde?
ELISA / EIA ist der erste Suchtest. Er bestimmt die Menge der Antikörper. Wenn von Titer die Rede ist, dann ist damit die Menge der Antikörper gemeint. Titerangaben ohne Referenzwerte sind unbrauchbar, da jedes Labor einen anderen Testkit mit anderen Grenzwerten verwendet.
Der Western Blot / Immunoblot / Blot ist der Bestätigungstest. Ein positiver ELISA muss mit einem Blot bestätigt werden, da der ELISA auch bei anderen Krankheiten oder Infektionen positiv ausfallen kann. Man sagt dem Kreuzreaktion. Beim Blot werden sogenannte Banden nachgewiesen. Es gibt hochspezifische, spezifische und unspezifische Banden. Hochspezifische Banden beweisen den Kontakt des Immunsystems mit Borrelien. Unspezifische Banden können bei Borrelien aber auch bei anderen Erregern nachweisbar sein. Das Bandenmuster wird schlussendlich als positiv oder negativ interpretiert. Für eine positive Interpretation des Blots braucht es eine bestimmte Anzahl Banden, wo immer Hochspezifische dabei sein müssen. Zur Bedeutung der einzelnen Banden im Blot findest du hier weitere Informationen:
http://www.laborlexikon.de/Lexikon/Tabellen/21-Banden_Borrelien-Blot.htm
und hier:
http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=138&pid=614#pid614

Es werden in der Regel von den Antikörperklassen IgM und IgG je ein ELISA und Blot gemacht. IgM-Antikörper werden in der Regel im Frühstadium und IgG in späteren Stadien gebildet. Die Antikörperantwort ist nicht bei allen Patienten gleich. Es kann auch zu Laborergebnissen kommen, die nicht mit dem Stadium übereinstimmen.

Die Tests können nicht zwischen aktiver und ausgeheilter (alter) Infektion unterscheiden. Die Tests müssen immer zusammen mit den Symptomen interpretiert werden. Ein positives Resultat ohne Beschwerden bedeutet nichts. Es kann aber auch trotz bereits fortgeschrittener Infektion zu negativen Resultaten kommen. Die Tests sind weder standardisiert, noch ist deren Zuverlässigkeit überprüfbar. Labors, die in Ringversuchen schlecht abschneiden, werden nicht bekannt gegeben.

Testergebnisse von verschiedenen Labors können nicht verglichen werden. Es können nichtmal die Ergebnisse vom selben Labor verglichen werden, wenn das Labor keine Verlaufskontrolle macht, sprich das erste Serum parallel mit dem zweiten Serum unter gleichen klimatischen Bedingungen testet.


Borreliose-Symptome, aber negativer Bluttest
Es gibt seronegative Fälle von Borreliose. Da bleibt einem oft nur noch der Therapieversuch mit Antibiotika nach Ausschluss anderer möglicher Krankheiten.


Welche Diagnosemöglichkeiten gibt es sonst noch?
Praxiserfahrene Spezis lassen bei unklaren Serologien und Symptomen einen LTT machen. Der LTT ist von geltender Lehrmeinung nicht anerkannt und muss privat bezahlt werden. Wenn man nicht bei einem Spezi in Behandlung ist, macht ein LTT nur Sinn, wenn der behandelnde Arzt bereit ist, bei positivem Ergebnis mit Antibiotika zu behandeln. Mehr Infos zum LTT findest du hier:
http://www.imd-berlin.de/kompetenzen-borrelieninfektionen-ltt_borrelien.html

Bei sichtbaren Symptomen wie z.B. entzündliche Hautveränderungen oder Gelenkschwellung macht die PCR Sinn von Haut- oder Gelenkprobe (Gelenkhaut oder –flüssigkeit), wenn die Antikörpertests nicht eindeutig sind. Die PCR weist DNA der Erreger nach und ist somit ein Direktnachweis. Die Sensitivität beträgt 50-70 %. Das bedeutet, dass der Test in 30-50 % falsch negativ sein kann. Die Spezifität beträgt 99 %. Das heisst, dass die PCR in 1 % falsch positiv sein kann. Eine positive PCR ist praktisch beweisend für eine Borrelieninfektion. Eine negative PCR schliesst eine Borreliose nicht aus. Weiter Informationen zur PCR findest du hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Polymerase-Kettenreaktion


Sagen meine Laborwerte etwas über das Stadium aus?
Es gibt Anhaltspunkte, aber zuverlässig ist bei den Tests nichts. Deshalb ist es besser, man orientiert sich daran, wie lange bereits Symptome bestehen.


RE: Chronische Borreliose? - Mainz06 - 30.12.2015

(30.12.2015, 07:27)Regi schrieb:  Bei dir sind die IgG positiv sowohl im ersten Suchtest (EIA, ELISA) als auch im Bestätigungstest (Blot).
Ich glaube das hast du falsch gelesen, der Blot ist negativ.

Was die Frage angeht, würde ich sagen, nur Rückenschmerzen sind als Symptome etwas wenig, um das als Borreliose zu diagnostizieren.
Ein grosses Problem der B. ist die Vielfalt der Symptome, daher wäre es ungewöhnlich, wenn bei dir nur ein einizges zu Beschwerden führt. Oder hast du noch Andere?


RE: Chronische Borreliose? - Heinzi - 30.12.2015

(30.12.2015, 09:55)Mainz06 schrieb:  
(30.12.2015, 07:27)Regi schrieb:  Bei dir sind die IgG positiv sowohl im ersten Suchtest (EIA, ELISA) als auch im Bestätigungstest (Blot).
Ich glaube das hast du falsch gelesen, der Blot ist negativ.

Die IgG Borrelien sind in dem Befund oben positiv inklusive des Antigens VlsE, das nur in vivo gebildet wird.


RE: Chronische Borreliose? - kimschmitz - 30.12.2015

Heftig, vielen Dank für eure ausführlichen & schnellen Antworten, damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Nein, bisher habe ich nur die Rückenschmerzen die nicht verschwinden wollen. Allerdings war ich auch noch nicht bei einem Rücken Spezialisten, das werde ich im neuen Jahr mal machen.

Dieses ganze Borreliose Thema wird für mich immer verwirrender, je mehr ich darüber lese Confused Wird schwer da einen kompetenten Arzt zu finden...

Müssten eigentlich auch meine Entzündungswerte erhöht sein, wenn die Schmerzen durch die Borreliose kommen?

Oder kann ich aus den anderen Blutwerten irgendwas herauslesen? Leukoziten etc?

Danke

kim


RE: Chronische Borreliose? - johanna cochius - 30.12.2015

Hallo Kim,

nein die Entzündungswerte müssen nicht erhöht sein.
Sind denn andere Blutwerte auffällig? Wenn die Leukozyten erhöht wären, spricht das für eine akute Entzündung.
Bei Borreliose die z.b. schon länger besteht sind die Entzündungen meist an anderen Markern zu sehen, als bei den akuten wie CRP oder Leukos.


RE: Chronische Borreliose? - anfang - 30.12.2015

Was mich im Augenblick am meisten interesiert- ist,speziell nur dieser thread,diese Post's/Beiträge des User's, mit welchem Format/Sytem er sich hier einklickt. Nur seine Post's/eingestelltes minimieren,verzerren die Fenster/Masken,finde ich merkwürden... Danke - anfang -


RE: Chronische Borreliose? - Ehemaliges Mitglied 1 - 30.12.2015

Der Labotbericht gefällt mir nicht, weil man den Laborarzt benötigt, damit man das Ergebnis überhaupt verstehen kann!

Ich würde daraus lesen, dass insbesondere im IgG-Immunoblot die Banden p100, p41 und auch der VLSE-Wert negativ sind, der IgG-Blot insgesamt jedoch als positiv gewertet wird.

Daraus kann man schließen, dass eine Borrelien-Infektion einmal stattgefunden hat. Ob Borrelien heute die Ursache für Deine Rücken-Beschwerden sind, ist nicht sicher, denn man kann leider daraus nicht ableiten, ob die Infektion aktiv ist.

Wenn die Rückenschmerzen beeinträchtigen und bereits Untersuchungen stattgefunden haben, die zu keiner Ursache geführt haben, dann könnte ein Besuch bei einem Spezialisten hilfreich sein. Möglicherweise hast Du noch andere Beschwerden, die weniger im Vordergrund stehen und von Dir toleriert werden können, weil sie nicht stark sind, Du sie schon lange hast und gelernt hast, sie zu übersehen?
Gruß Niko


RE: Chronische Borreliose? - johanna cochius - 30.12.2015

Ich bin jetzt erst auf die Idee gekommen auf den Screencast zu tippen. Da ist auch mir der Befund nicht ganz klar...Banden negativ,IgG Blot aber positiv...
Ich würde mir das direkt vom Labor nochmal erklären lassen.
Letztendlich wäre es sicher gut erstmal den Rücken genauer anschauen lassen, wenn sonst keine Symptomatik besteht.

LG Jo


RE: Chronische Borreliose? - Heinzi - 30.12.2015

Meiner Meinung nach wurden im IgG Westernblot die Banden p100 (geringe Kreuzreaktivität) und p41 (wenig spezifisch, reagiert kreuz) und VlsE (nur in vivo exprimiert, hochspezifischer und hochsensitiver Marker) gefunden, damit ist der Westernblot wie der ELISA Suchtest positiv. Rechts steht immer der Referenzbereich bzw. -wert, und der ist bei dem Westernblot einfach negativ.

Ich kann mich aber auch irren bzw. über die Weihnachtstage meinen Verstand verloren haben.

Laut Laborlexikon ist "bei gesichertem IgG-Antikörper gegen VlsE ist von einer Borrelien-Infektion auszugehen". Ob diese aktiv ist oder nicht, kann man aus dem Ergebnis meiner Meinung nach nicht ablesen.

Wenn es mein Ergebnis wäre und ich noch nie gegen Borrelien antibiotisch behandelt worden wäre, so würde ich bei einem Arzt einen Therapieversuch mit einem passenden, etablierten Antibiotikum unternehmen, um zu sehen, was sich tut (körperlich und im Labor).