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Hallo,
ich habe auch gerade einen Brief an den Intendanten abgeschickt. Im Folgenden der Text.
(Dabei fiel mir auf, dass ich gar nicht weiss, wie man Dateien anhängen kann, deswegen habe ich ihn komplett so reinkopiert...sorry für die Unmenge an Text;-))
Südwestrundfunk
Anstalt des öffentlichen Rechts
Intendant Herrn Peter Boudgoust
Neckarstraße 230
70190 Stuttgart
Kopie an: Dr. Harald Augter, Vorsitzender des Rundfunkrats
Berlin, 12.04.2014
Geplante Ausstrahlung der Dokumentation „Der Zeckenkrieg“
Sehr geehrter Herr Boudgoust,
ich habe erfahren, dass die erneute Ausstrahlung der o.g. Dokumentation geplant ist. Ich bitte Sie dies zu verhindern, denn diese Dokumentation ist einseitig. Jeder Nicht-Betroffene und Uninformierte wird nach Rezeption des Films zu der Erkenntnis kommen, dass es sich bei an chronischer Borreliose Erkrankten um „Spinner“ handelt. Dadurch wird eine gesamte Bevölkerungsgruppe der Lächerlichkeit preisgegeben. Ich möchte diese Auffassung im Folgenden begründen:
1. Parteinahme für Anhänger der IDSA Leitlinien:
Es wird seit Jahren ein medizinischer Meinungsstreit zwischen Anhängern der sog. IDSA Leitlinie und Anhängern der ILADS Leitlinie geführt. Dieser Streit findet – wohlgemerkt – unter Ärzten statt und nicht zwischen Ärzten und einigen „spinnenden“ Patienten. Namhafte Experten stehen auf Seite der ILADS Anhänger. Auch die Äußerung des Medizin-Nobelpreisträgers Luc Montagnier (ich zitiere sinngemäß: „Leider gibt es einen Meinungsstreit. Einige sagen, es gäbe keine chronische Borreliose. Ich sage, dass eine chronische Borreliose existiert und dass man sie lange behandeln muss!“) unterstützt die Auffassung von Vertretern der ILADS Leitlinien. In den USA wurde dieser Streit sehr erbittert geführt. Die IDSA Vertreter waren hierbei zunächst in der Mehrheit. Mittlerweile findet in den USA ein Richtungswechsel statt, da man offensichtlich erkannt hat, dass es sich bei Patienten auch um Wähler handelt. Im Bundesstaat Vermont wurde im März d.J. ein Gesetz verabschiedet, dass Patienten und Ärzten Wahlfreiheit bei der Behandlung zugesteht. Deutschland ist noch nicht so weit wie der Bundesstaat Vermont oder der Nobelpreisträger Luc Montagnier. Hier empfiehlt das Nationale Referenzzentrum 30 Tage Antibiotika. Im o.g. Beitrag werden Vertreter der IDSA Leitlinie (Prof. Rauer, Prof. Heidelore Hoffmann) durchweg positiv dargestellt. Vertreter der ILADS Leitlinie hingegen als „Scharlatane“ diskreditiert, was zum Teil durch Äußerungen des Autors (sinngemäß: „das habe ich so in meinem Medizinstudium aber nicht gelernt“) unterstrichen wird. Es entsteht also der Eindruck, es gäbe die einzig wahre seriöse Schulmedizin und unseriöse „Quaksalber“. Dies widerspricht der Wirklichkeit.
2. Falsche Heilungsversprechen – Irreführung der Zuschauer
Im o.g. Beitrag wird der Eindruck erweckt, Borreliose sei leicht heilbar und jeder bei dem sie persistiert, bilde sich das nur ein. Prof. Heidelore Hoffmann sagt zum Beispiel sinngemäß zu einem Patienten „das geht schnell wieder weg!“. Die weitere Krankengeschichte dieses Patienten wird allerdings im Film nicht weiter verfolgt. (Anstatt den Beitrag erneut auszustrahlen, wäre es doch mal eine gute Idee diesen Patienten zu besuchen und ihn zu befragen, ob er tatsächlich geheilt wurde). Die Wirklichkeit sieht leider oft anders aus. Zahlreiche Patienten werden nicht geheilt und landen mitunter im Rollstuhl. Was dazu ein französischer Anhänger der IDSA Leitlinie sagt, spricht wohl für sich. („Ich habe mehrere Tausend Borreliose-Patienten behandelt. Sie sind alle geheilt. Bei ca. 30 % bestehen die Symptome fort. Dies hat psychische Ursachen, wie z.B. Angst….“Pierre Kieffer Chefarzt Innere Medizin, Mulhouse) Was soll man von einem Experten halten, der eine Heilungsquote von 70 % als eine hundertprozentige Heilung darstellt. Genau diese Experten kommen in dem o.g. Beitrag durchweg gut weg, obwohl sie oft eine klägliche Bilanz bei ihren Therapien vorweisen können.
Sehr geehrter Herr Bougoust, ich habe Verständnis dafür, dass gesunde Menschen wie Sie und der Autor Patrick Hünerfeld, sich nicht wirklich in das Leid von Menschen hineinversetzen können, die ernsthaft erkrankt sind. Ich werfe Ihnen das nicht vor, denn ich konnte es vor meiner Erkrankung auch nicht. Noch vor einem Jahr hätte ich diesen Beitrag vermutlich richtig „toll“ gefunden und gedacht „schau Dir mal diesen Skandal an. Diesen „Kurpfuschern“ müsste man das Handwerk legen“. Wenn Sie selbst krank werden, - was ich weder Ihnen noch Herrn Hünerfeld wünsche – sehen Sie die Dinge aber schlagartig komplett anders als in dem o.g. Beitrag. Sie sind dankbar, dass es couragierte Ärzte gibt, die entgegen der Mehrheitsmeinung forschen und sich für Sie einsetzen und Ihnen letztendlich dann eine Behandlung geben, die Ihnen spürbar hilft und Ihnen das Leben zurückgibt.
Ich bitte Sie deshalb inständig, verhöhnen Sie uns nicht, indem Sie diesen Beitrag erneut ausstrahlen. Bitten Sie Herrn Hünerfeld, der ja sicherlich ein guter Journalist aber – mit Verlaub – ein schlechter Arzt ist, eine erneute Reportage zu drehen, indem er die Patienten von Prof. Hoffmann und Prof. Rauer interviewt und sie fragt, wie es Ihnen heute geht. Ein Beitrag, in dem Luc Montagnier zu Wort kommt und in dem die zahlreichen wissenschaftlichen Studien gezeigt werden, welche Experten gemacht haben, die wirklich Patienten geholfen haben. Ein Beitrag, in dem Patientengeschichten gezeigt werden, denen skandalöse Behandlung von „Göttern in Weiss“ widerfahren ist. Wenn es sich bei den „Opfern“ dieser Ärzte um eine kleine Handvoll handeln würde, dann könnte man ja in der Tat „stutzig“ werden. Mittlerweile gibt es einfach viel zu viele Patienten, die nicht geheilt wurden – weltweit! Warum glaubt man also einer kleinen Gruppe von Experten mehr, als tausenden Patienten. Luc Montagnier glaubt mittlerweile den Patienten. Das Parlament der Bundesstaates Vermont ebenso. Es wäre schön, wenn der Südwestrundfunk das auch täte oder zumindest ausgewogen über den Meinungsstreit berichten würde.
Mit freundlichen Grüßen
P.S. Da Bilder natürlich mehr sagen als tausend Worte, noch ein kleiner Tipp von mir: Schauen Sie sich doch einfach auf Youtube den Film „under our skin“ an. Der bringt die Misere auf den Punkt.