Liebe Sonnenblume!
Lass Dich mal
Zitat:Habe seit meiner postpartalen Depression vor 9 Jahren diesen Psycho-Stempel an der Backe und werde ihn nicht los.
Ich habe auch den Psychostempel und werde ihn nicht los, weil ich schon vor der Borrelioseinfektion wiederholt Depressionen hatte, was angesichts der Tatsache, dass mein einziges Kind Autist ist und schon sehr lange in einer Wohngruppe lebt, absolut nicht verwunderlich ist. Ich habe noch mehr Psychodiagnosen, die auch berechtigt sind, aber das ist es eben nicht alleine. Man kann auch "Läuse und Flöhe gleichzeitig" haben.
Vor der Infektion ging es mir nach einer stationären Psychotherapie gut, sowohl psychisch als auch körperlich. Ich hatte vorher auch während schwerster depressiver Episoden außer Migräne keinerlei körperlichen, kognitiven und neurologische Probleme, bis ich mich bei meiner Arbeit im Waldkindergarten unbemerkt mit Borreliose infiziert habe.
Und sofort wurde die Psychoschublade aufgezogen, auch noch nach der Diagnose und auch jetzt noch, es werden hartnäckig alle Tatsachen ignoriert, die klar für die Erkrankung sprechen, ich habe es gerade erst am Montag wieder mit meiner derzeitigen Hausärztin erlebt.
Mein Mann ist selber betroffen, sogar schon länger als ich, mittlerweile ist ihm klar, dass die üblichen 200 mg Doxycyclin für 20 Tage im Herbst 2004 bei 97 kg Gewicht eben nicht ausgereicht haben. Er hat bei weitem nicht so viele Symptome wie ich, aber seine Beschwerden nehmen zu, er redet inzwischen sogar darüber und so langsam bekommt er wenigstens ein bisschen Ahnung davon, wie es mir mit dieser Krankheit ergeht. Aber so wirklich Verständnis hat er meinem Eindruck nach dafür trotzdem nicht immer und versteht nicht, dass mich die banalsten Alltagsdinge viel Kraft kosten und dann eben so manches liegenbleibt.
Was man unter großer Kraftanstrengung erledigt hat,wird oft gar nicht wahrgenommen, dass man sich überfordert hat und die entsprechende Quittung dafür bekommt, z.B. die Zunahme der Schmerzsymptomatik, interessiert nicht. Das tut genauso weh wie doofe Sprüche.
Und wenn ich gereizt und aggressiv reagiere, dann kommt von ihm immer wieder der selbe dämliche stereotype Spruch, das wurde er alles kennen, das hätten wir doch jedes mal, wenn ich eine Depression hätte und ich solle zu meiner Psychiaterin gehen. Die Steigerung dessen ist dann noch, ich soll mich in die Klinik einweisen lassen... Ich könnte ihn dafür jedes mal wieder erwü....
Dass ich diese Reizbarkeit und Aggressivität erst seit der Infektion habe, und sie bei einem Krankheitsschub erheblich zunimmt und sich unter Aniobiotika bessert, interessiert nicht.
Das macht einerseits so unglaublich wütend, andererseits aber auch hilflos, man möchte schreien, erklären, was der wahre Grund ist, aber man rennt gegen Mauern und das kostet noch mehr Kraft, die man nicht hat.
Was ich nicht weiß, warum reagieren andere so, ist es einfach Unwissenheit und Unsicherheit oder wirklich Gleichgültigkeit, Bosheit, Ignoranz.... ?
Ich hatte schon vor meiner Borrelioserkrankung oft mit blöden Sprüchen zu kämpfen, wenn mein Sohn in der Öffentlichkeit mal wieder austickte, weil er die Reizüberflutung nicht mehr ertrug. Ich habe dann gerne mal Richard von Weizsäcker zitiert:
"Nicht behindert zu sein, ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk,
das jedem von uns jederzeit genommen werden kann."
Das hat schon so manchen zum Nachdenken gebracht und mitunter gab es sogar eine Entschuldigung.
Und was für mich auch immer sehr hilfreich ist, was mir mein erster Psychiater/Psychotherapeut vor mittlerweile 16 Jahren mal erklärt hat, was sinngemäß auch auf unser Problem zutrifft, auch wenn man es nicht direkt als Mobbing interpretieren würde:
Menschen die andere mobben, sie fertigmachen, tun dies, um sich selber aufzuwerten, indem sie andere abwerten und sind im Grunde genommen bedauernswert, wenn sie es nötig haben, ihr Selbstbewusstsein daraus zu gewinnen, indem sie andere erniedrigen. Da ist etwas dran.
Ich weiß nicht ob es etwas nützt, aber vielleicht kannst Du Deinem Mann mal die Texte von Dr. Andreas Püttmann, einem ebenfalls betroffenen Journalisten die das Problem sehr treffend darstellen, zum Lesen geben.
http://www.borreliose-nachrichten.de/wp-...nkheit.pdf
http://www.borreliose-nachrichten.de/wp-...atisch.pdf
http://www.borreliose-nachrichten.de/wp-...liose1.pdf
http://www.borreliose-nachrichten.de/wp-...eliose.pdf
Zitat:Ständig empfiehlt mir jemand meine Psyche zu stärken und die psychosomatischen Aspekte nicht zu vernachlässigen bei meiner Therapie. (was ja auch nicht ganz verkehrt ist)
Es ist nicht verkehrt, die Psyche zu stärken, das spielt nun mal mit eine Rolle. Ich merke es oft, aber die Psyche ist eben nicht die Ursache der Beschwerden.
Sehr gut finde ich diesen Artikel dazu:
http://www.vfp.de/verband/verbandszeitsc...anken.html
Mein (Über-)Lebenselixier heißt Dascha.
Diese kleine zarte kuschlige knapp 2,8 kg leichte Wesen, das im Oktober 2012 im Alter von 11 Wochen bei uns einzog, ist die beste Therapie, die ich je hatte, sie hat mich schon vor mehr als einem weiteren Klinikaufenthalt bewahrt. Wenn ich sie nicht hätte... ich denke mal lieber nicht weiter....
Zitat:Als ich in meinem Freundeskreis erzählte, dass ich Borreliose habe, waren die Reaktionen auch sehr gemischt. Es gab welche, die sofort auf die Psychoschiene gesprungen sind (zum Glück die Minderheit und mit denen habe ich auch keinen Kontakt mehr)
Unser Freundeskreis besteht größtenteils aus Menschen, die entweder behinderte Kinder, psychische Probleme oder Borreliose haben. Da hat man ein ganz anderes Verständnis als unter nicht Betroffenen und so mancher steht mir näher als der größte Teil meiner Ursprungsfamilie.
Das ist das Positive an all dem Chaos, so manchen für mich wertvollen Menschen hätte ich ohne die ganzen Probleme niemals kennengelernt.
Und ich habe gelernt, die Kleinigkeiten des Lebens wahrzunehmen und mich darüber zu freuen, wenn die Sonne scheint, die Vögel zwitschern.... Auch wenn es völlig verrückt klingt
, ich genieße es, so wie letzte Nacht (kommt nicht so oft vor, aber es kommt vor) morgens um 4:45 Uhr mit beginnender Helligkeit im Regen mit dem Hund durch die menschenleere Straße zu gehen, begleitet von vielstimmigen Vogelgezwitscher... das ist so toll...
Liebe Grüße
Annette