(17.03.2020, 23:00)Markus schrieb: Ich würde gerne mal wissen was Drosten zu so einer Überlegung sagt, ob ihm das so bewusst ist
Auf den haste Dich jetzt eingeschossen, wa?
Ich hab versucht, den gestern von Dir verlinkten Artikel durchzulesen, mußte dann aber zwischendurch abbrechen, weil mir dort zuuu viele geschriebene Gedanken zu unkoordiniert durcheinandergingen. Betonung dabei auf "mir". Ich hab da keinen roten Faden mehr gesehen, alle Infos von allen Seiten prasselten aufeinander und zum Schluß sollte Drosten Schuld sein. - So
mein Eindruck.
Drosten sagt die ganze Zeit immer (so wie im letzten Absatz dieses Artikels ja auch zitiert), daß er dies und das schlicht nicht weiß. Weil's entweder nicht sein Fachgebiet ist oder weil sich die Fakten derzeit überschlagen. Er ist sogar so ehrlich und sagt das eben dazu (im Gegensatz zu anderen, die eigene frühere Aussagen ignorieren oder schönreden oder sonstwas). Auch daß er sich geirrt oder seine Meinung geändert hat oder daß diese oder jene Aussage eine Spekulation von ihm oder anderen Wissenschaftlern ist. Wie z. B. diese erwähnten Pandemiepläne - wozu soll er als Virologe die auch konkret kennen? Dafür und etliche andere Fragen sind z. B. Epidemiologen, Katastrophenschutzverantwortliche usw. zuständig. Er ist "nur" studierter Humanmediziner und Virologe mit vier Semestern Chemietechnik und Biologie, mehr hat er auch nie vorgegeben.
Nein, ich "vergöttere" ihn nicht und stimme auch keinesfalls mit allen seinen Ansichten überein. Vor allem bin ich die ganze Zeit nie seiner Meinung gewesen, daß wir hier in Dtl. und Europa noch sowas wie Zeit haben, nachdem ich gesehen hab, was in China innerhalb kürzester Zeit passierte und wie Taiwan sofort reagiert hat, das aus der SARS-Epidemie 2002/3 tatsächlich gelernt hat. Aber er wird momentan rumgereicht, weil er unheimlich viel Wissen hat und dieses auch verständlich rüberbringen kann, ohne daß man selbst schnell noch 'n Medizinstudium absolvieren muß. Gestern zum Beispiel die Sache mit den Antikörpern - hochgradig spannend! Vor allem für die, die sich z. B. durch Borreliose auch schon mal mit den verschiedenen Antworten des Immunsystems beschäftigt haben.
Ihm jetzt aber Fragen stellen zu wollen zu irgendwelchen Kurven, die eher in die Mathematik gehören und somit für Epidemiologen sind, find ich nicht angebracht. Außerdem ist er doch nicht der Einzige, der zur Zeit die Bundesregierung berät. Da sind noch Leute wie Kekulé (der gleich zu Anfang sehr radikale Maßnahmen anmahnte und dafür überall verächtlich angeguckt wurde) und das lahme RKI. Vor allem nach Letzterem orientiert sich die Regierung nun mal.
Und wenn RKI-Präsident Wieler noch wochenlang, nachdem in Italien die Zahlen schon explodierten, immer noch von einer "geringen bis mäßigen" Ausbreitung in Dtl. ausgeht, dann isses doch kein Wunder, daß Spahn erst Ende Februar anweist, daß man hier die Bestände von Schutzausrüstungen in den Lagern durchzählen muß. Klar isses für die Regierung bei den einzuleitenden Maßnahmen mehr als 'ne Gratwanderung, da sie (bzw. die Landesregierungen) ja für Fehlentscheidungen finanziell geradestehen muß (v. a. wirtschaftlich), aber die ham das scheinbar alle zu spät begriffen, daß die Zahlen nur ein Abbild der Vergangenheit sind und daß man Infektionsketten nur ganz am Anfang tatsächlich unterbrechen kann. Wenn dann aber die chemische Substanz für die Tests fehlen und plötzlich Engpässe bei Tupfern für die Rachenabstriche auftreten, wenn anfangs noch drüber gestritten wird, wer die Tests überhaupt bezahlt, wenn sich hier in Berlin die Gesundheitssenatorin mit der Kassenärztlichen Vereinigung Anfang März noch darüber streitet, wer denn nun für die Schutzausrüstung der niedergelassenen Ärzte zuständig ist, und erst Mitte März festgestellt wird, daß 1045 Beatmungsgeräte (von denen nur 200 im Schnitt frei sind) nicht für 5 % von 60 - 70 % von 4,6 Mio. Einwohnern im Großraum Berlin reichen und welche nachgekauft werden müssen... Dann macht das auf mich einen Eindruck, daß es hier überhaupt keine Pandemiepläne gibt. Vielleicht kennt Drosten die deshalb nicht.
Ich denke, daß das größte Problem in Dtl. (wie auch im restlichen Europa) die Selbstüberschätzung ist. Nicht nur Kanzlerkandidatskämpfer Spahn (der übrigens noch im Januar die Schließung von paar hundert Krankenhäusern durchsetzen wollte - nun ja, ist eben gelernter Banker und kein Mediziner) hat sich überschätzt, sondern auch viele andere in den oberen Riegen. Diese Selbstüberschätzung liegt hier aber vermutlich auch in den Genen, "wir" meinen ja immer, klüger sein zu müssen als andere. Bei Ebola, EHEC und SARS hamwa aber einfach nur verdammt großes Glück gehabt. Mehr Glück als Verstand.
Wir alle haben immer noch Spahns Sprüche im Ohr, daß Dtl. gut vorgereitet ist. So nach und nach muß man sich aber fragen: Wofür?