(03.06.2019, 13:18)mikky schrieb: Ich betrachte solche Geschichten nicht als krankhaft, sondern bin der Meinung, daß sowas auch gesunden Menschen passiert.
Wenn es ab und an mal passiert, ist das völlig normal, sehe ich auch so. Aber wenn man jeden Tag den ganzen Tag lang ständig irgendwas vergisst, sucht, selbst Dinge nicht findet, die beim 5. mal nachgucken dann doch genau dort liegen, wo man sie vorher 4 x nicht gefunden hat, weil man sie einfach nicht wahrgenommen hat, obwohl sie definitiv dort lagen, finde ich das nicht mehr normal. Es beeinträchtigt den Alltag erheblich und nervt einfach.
Wenn es mehrmals wöchentlich passiert, dass man den Herd statt ihn auszuschalten, was man eigentlich vorhatte, höher dreht und aus dem Haus geht oder sich an den PC setzt und das Essen auf dem Herd vergisst, ist das unter Umständen sogar gefährlich. Unsere Rauchmelder hatte in unserer vorherigen Wohnung, wo die Küche ein extra Raum war, gut zu tun (jetzt haben wir -zum Glück- eine offene Küche und ich bekomme es eher mit) und es ist ein Wunder, dass es noch nicht gebrannt hat.
Ich habe die Gasflamme angemacht und nicht wahrgenommen dass unmittelbar daneben ein Geschirrtuch oder Küchenpapier lag, was dann Feuer fing (in dem Moment habe ich es dann bemerkt). Jetzt haben wir ein Cerankochfeld mit Twistpad und ich versuche bewusst daran zu denken, das Ding herunternehmen und an den Kühlschrank zu heften (es ist magnetisch), bevor ich weggehe, weil der Herd sich dann selber abschaltet. Es mag auf andere zwanghaft wirken, dient aber der Sicherheit. Zuletzt habe ich den Griff von einem meiner teuren Zwilling-Messer verkokelt, weil das Messer auf dem Herd lag und es nicht gemerkt habe. Mal eben 40 € Schaden, "nur" 40 €, aber es kann eben auch schlimmer ausgehen.
Oft habe ich vergessen, mein Fahrrad anzuschließen, zum Glück hat es nie jemand mitbekommen. Jetzt schließe ich es ganz bewusst, zwanghaft an. Mein Pedelec ist quasi mein Auto (ich habe nie Autofahren gelernt), einzige (schlechtere und teure) Alternative wären Öffis. Das Pedelec hat mit Zubehör und Anhänger über 3000 € gekostet, ein Diebstahl würde mich schwer treffen und meine Mobilität erheblich einschränken.
Ich stelle es, wenn ich mal in die Landeshauptstadt fahre, auch immer (zwanghaft? ) an derselben Stelle ab, weil ich mich oft genug nicht mehr daran erinnern konnte, wo ich es abgestellt hatte, als wir noch da wohnten. Und es ist u.a. deshalb lymegrün und so auffällig, damit ich es unter hunderten Fahrrädern sofort wiederfinde. Man sucht sich halt seine Hilfsmöglichkeiten, es mag zwanghaft auf andere wirken, erleichtert aber den Alltag.
Ich war 38, als es anfing (ich bin 2006 erkrankt) und wenn ich doppelt so alt gewesen wäre, hätte wohl jeder Arzt sofort auf Demenz untersucht. Mein letzter Spezie bezeichnete das auf seiner damaligen Internetseite als Pseudo-Demenz.
Zitat:Solche, die immer einen Einkaufszettel schreiben, ihn immer an dieselbe Stelle legen, beim Einkaufen streng nach Zettel vorgehen. Ich finde solche Menschen einfach nur schrecklich.
Mache ich z.B. nicht, weil mein Hirn so chaotisch ist, dass ich oft gar nicht dazu in der Lage bin. Aber wenn es jemand als Hilfsmittel braucht, um klarzukommen, ist das wirklich zwanghaft? Wenn ich nicht mehr richtig gucken kann, kaufe ich mir eine Brille als Hilfsmittel, wenn ich nicht mehr gut laufen kann, einen Rollator. Wieso ist es dann schrecklich und wird als zwanghaft angesehen, wenn jemand bewusst so vorgeht, um sich den Alltag etwas zu erleichtern? Menschen mit echter Demenz hilft man doch auch beider Bewältigung von Alltagsaufgaben, indem Abläufe klar strukturiert und trainiert und Hilfen gegeben werden.
Zitat:Und ist das wirklich so schlimm, wenn ich dann noch mal zum Einkaufen fahren
Im Prinzip nicht, aber z.B. ist es in meinem Fall so: Wir wohnen mittlerweile in einem Dorf und da mein Mann Einkaufen gehen hasst wie die Pest und ich es hasse, wenn ich in 10 min durch einen Supermarkt hetzen muss, damit er nicht gestresst ist (er hat schon mehr als genug Arbeitsstress, ich bin berentet, also Arbeitsteilung) ist er nur für Getränke zuständig, alles andere kaufe ich mit Pedelec ein, wenn ich etwas mehr brauche, nehme ich den Lastenanhänger.
Die Läden sind nicht nebenan, ich habe durchaus 20 min und mehr Anfahrtsweg, je nachdem, wo ich einkaufe. Macht hin und zurück 40 min Radfahren zusätzlich und ist nicht mal eben locker zu bewältigen, wenn man dann zweimal fahren muss, weil was fehlt, wenn man als Folge der Borreliose unter einem chronischen Erschöpfungssyndrom leidet. Schon einmal hinfahren, alles zusammensuchen, im Anhänger und ggf. den 3 Körben am Rad verstauen, zu Hause aus- und wegräumen reicht als Tagesprogramm.
Es fällt mir oft genug auch ohne Einkaufen schon schwer, mit unseren beiden kleinen Hündinnen eine lange Gassirunde zu machen und ich fühle mich hinterher wie vom Panzer überrollt. Und die Hunde können zwar alleine zu Hause bleiben, aber länger als nötig möchte ich das nicht machen, und das stresst mich noch zusätzlich. Es reduziert einiges an Stress, wenn ich nicht noch mal los muss, weil ich irgendwas vergessen habe. Also dann lieber (zwanghaft ) an den Einkaufszettel halten...
Heute hatte ich einen, habe ihn bewusst eingesteckt, Großeinkauf nach der Rückkehr aus dem Urlaub gestern, Anhänger und alle 3 Körbe voll. Ich habe nur einen einzigen Artikel von meiner Liste vergessen und den brauche ich nicht zwingend heute.
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