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Depression und Psychosomatik
#1

Ihr Lieben,

kann mir jemand sagen wie genau es zur Diagnosestellung

- Depression und
- Psychosomatik

kommt. Welche Testungen sind dafür notwendig. Was wird untersucht und diese tiefgreifenden Diagnosen zu stellen?

Kann dies ein Dr. in einer einzigen Sitzung feststellen wenn er denn Patienten noch niemals vorher sah?
Gibt es irgendwelche Kriterien die erfüllt sein müssen ? Leitlinien etc.?
Ich kann so richtig darüber nichts finden und bin zu der Ansicht gekommen jeder Arzt kann in einer oberflächlichen Konsultation ( wenn er mit seinem derzeitigen Wissen am Ende ist ) diese Diagnosen einfach so stellen?
Ich danke Euch sehr wenn Ihr etwas dazu beitragen könntet.
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#2

Hallo OnLymchen,

Zitat:Ich kann so richtig darüber nichts finden und bin zu der Ansicht gekommen jeder Arzt kann in einer oberflächlichen Konsultation ( wenn er mit seinem derzeitigen Wissen am Ende ist ) diese Diagnosen einfach so stellen?

Ich befürchte, dass es in der Mehrzahl der Diagnosestellungen genauso abläuft. Angry
Zumindest deckt sich das auch mit meiner Erfahrung.
Kleines, persönliches Beispiel...Ich begebe mich zweimal im Jahr in eine Rheumaklinik, um mir Ilomedininfusionen verabreichen zu lassen. Ich habe aber rheumatologisch gesehen, neben dem Lupus und der Sklerodermie-Diagnose, auch eine Fibromyalgie.

Die letzte Aufnahme machte bei mir die noch recht junge (aber umso forschere) Assistenzärztin.
Anschließend las ich in meinem (von ihr erstellten) Entlassungsbericht, dass ich eine vermeidende, ängstlich-depressive Persönlichkeitsstruktur hätte.
Da fragt man sich doch, wie sie das hat feststellen können, als sie meine Tender-Points "abgedrückt" hat. Dodgy

Ne, das ist ganz einfach...bestimmte Diagnosen ziehen bestimmte andere Diagnosen nach sich.
Fibromyalgie = weiblich, ängstlich, depressiv und wahrscheinlich früh traumatisiert.
So simpel ist das oft (erschreckenderweise). Cool


Liebe Grüße

Leonie

Macht mit bei: www.onlyme-aktion.org

Wenn die Guten nicht kämpfen, werden die Schlechten siegen.
 

Platon
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Thanks given by: huwe17 , Katie Alba , judy
#3

Nichtsdestotrotz gibt es natürlich eine Leitlinie (Unipolare Depression), sogar eine S3!

http://www.leitlinien.de/nvl/depression/ Icon_winkgrin

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Platon
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Thanks given by: Katie Alba , johanna cochius
#4

Nur ein kleiner beitrag\Versuch.....es ist und wird oft zu müßig sich damit immer wieder aufs neue auseinanderzusetzen und bestimmt nicht gesundheitsfördernd.Schlichtweg kann etwas,das nicht sein darf auch nicht geben.Was nicht sein darf-gibt es auch nicht...ab in die Pychoecke.Das steht auch oft unausgesprochen tagtäglich im Raum.Finde - Püttmann hat das teils sehr gut rüber gebracht.- anfang -

http://www.lymenet.de/aktive/puettmann.htm

... auch du bist ein Teil des Wasser`s - das jeder Fisch zum schwimmen braucht...
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Thanks given by: Katie Alba , johanna cochius
#5

Gute Frage! Psychische Störungen müssen genau so sorgfältig diagnostiziert werden wie organische Störungen.
Wenn Ärzte einfach mal so psychische Störungen in den Raum werfen, ohne deren Kriterien zu beachten, ist das so, als wenn der Psychotherapeut organische Diagnosen vergeben würde. Sehr unprofessionell! Icon_thumbs-down_new

In Deutschland wird eigentlich immer nach der ICD-10 diagnostiziert (in Amerika gibt es noch das DSM, hat sich aber hierzulande nicht so durchgesetzt).

In der ICD-10 gibt es ein Kapitel F "Psychische und Verhaltensstörungen" - der F-Bereich ist also der "Psycho"-Bereich

Depression: Unter Kapitel 3 (affektive Störungen), hier wird meist eine F32-Nummer verwendet "depressive Episode" (F32.0 leichte depressive Episode, F32.0.01 leichte depressive Episode mit somatischem Syndrom, F32.1 mittelgradige depressive Episode, F32.1.01 mittelgradige mit somatischem Syndrom....)

Leitsymptome:
  • gedrückte Stimmung
  • Interessensverlust, Freudlosigkeit
  • Verminderung des Antriebs, erhöhte Ermüdbarkeit


Somatoforme Störung: Unter Kapitel 4 (neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen), F45 sind "somatoforme Störungen" (F45.0 Somatisierungsstörung, F45.2 hypochondrische Störung, F45.3 somatoforme autonome Funktionsstörung...)
  • körperliche Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht körperlich begründbar sind
  • körperliche Symptome erklären nicht das Leiden und die innere Beteiligung
  • auch wenn Symptome enge Beziehung zu Lebensereignissen haben, widersetzt sich Patient, psychische Ursachen zu diskutieren
  • das zu erreichende Verständnis für die körperliche oder psychische Verursachung der Symptome ist häufig für Patienten und Arzt enttäuschend
  • aufmerksamkeitssuchendes Verhalten.....

Wenn du genauer wissen möchtest, wie die Diagnostik ablaufen sollte,
findest du die Antwort in den AWMF-Leitlinien. Die für Depression z.B. hier: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlin...-01_01.pdf

Es ist aber nicht so, dass bestimmte Tests vorgeschrieben sind. Vielmehr müssen die Definitionskriterien beachtet und die Symptome erfragt werden. Da ist also viel Spielraum... leider auch für schlechte Diagnostik.
Zur 1-Stunden-Diagnostik: Der Arzt müsste alle potentiellen organischen Ursachen ausschließen, eine sorgfältige Anamnese erheben und eine sorgsame Differentialdiagnostik im F-Kapitel betreiben. Also zu in Frage kommenden Störungen die Kriterien und Symptome erfragen. Kommt mir bisschen viel vor für eine Stunde....Icon_weckruf

Was immer wieder von den Ärzten verdrängt wird:
Natürlich dürfen die Symptome keine organischen Ursachen haben! Sonst hätte ja jeder Borreliosepatient eine somatoforme Störung!!!
Deswegen muss zuerst die sorgfältige medizinische Abklärung stehen, bevor psychische Störungen als Ursachen herangezogen werden.
Vor einer Psychotherapie steht z.B. deswegen auch der organische Befund an.
In den psychischen Leitlinien finden sich hierzu keine Hinweise, weil ja davon ausgegangen wird, dass nur Patienten kommen, die organisch abgeklärt wurden und keine organischen Krankheiten haben.

Es ist sehr ärgerlich, wenn Ärzte keine Zeit für eine sorgfältige organische Diagnostik haben und dann ihre Versäumnisse mit einer oberflächlichen "Psycho-Diagnose" kaschieren, ohne die Definitionskriterien zu beachten. Das macht dann nämlich den Eindruck, als ob es für psychische Störungen keine Leitlinien gäbe und man keine Qualifikation besitzen muss, um psychische Störungen zu diagnostizieren. Das ist aber Ausdruck in der Hierarchie Arzt - Psychotherapeut. Auch wenn der Psychotherapeut ein Psychologie-Studium und eine lange und teure Psychotherapeuten-Ausbildung mit unzähligen Praxisstunden und Supervision hinter sich hat (mind. 3, meistens mehr Jahre), ist er dem Facharzt nicht gleichgestellt.

Was ist aber, wenn man zur Unterstützung der Borreliose eine Psychotherapie machen möchte, aber keine psychische Störung vorliegt - damit die Psychotherapie als Kassenleistung übernommen wird, ist eine Diagnose notwendig!
Dann kann der Psychotherapeut z.B. die F43 (Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen) nehmen (z.B. die F43.0 akute Belastungsreaktion, F43.2 Anpassungsstörungen...)

Ich denke, dass die Zunahme von fälschlicherweise vergebenen psychischen Störungen nicht den Stand einer einzelnen Fachrichtung zeigt, sondern vielmehr Ausdruck der Situation unseres Gesundheitssystems und des Verhältnisses der Fachrichtungen zueinander ist. Ich glaube, dass viele Ärzte sehr überfordert sind aufgrund ihrer Arbeitssituation, hinzu kommt noch der Allwissenheitsanspruch, den Patienten und Ärzte selbst an sich haben. Und wenn es dann für einen kranken Patienten keine schnelle Erklärung gibt, ist eine psychische Störung eine schnelle und "bequeme" Problemlösung.

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Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen.
Den Vorhang zu und alle Fragen offen
(Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan)
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#6

Hey, die Leonie war schneller mit ihrer Antwort!
Recht hast du Leonie - Diagnosen spiegeln wohl oft die Einstellungen der Ärzte wider Dodgy Kommt ne Frau zum Arzt...
Ich sehe mich noch auf der Liege in der Notaufnahme liegen, wie ich laut heulend den Neurologen anschrie, dass ich nicht depressiv sei. Hat mir auch nicht viel genützt Icon_winkgrin

Nun ja, der Borreliosepatient lächelt milde und denkt sich seinen Teil...

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#7

Zitat:Sonst hätte ja jeder Borreliosepatient eine somatoforme Störung!!!

Wird aber leider sehr oft benutzt als Diagnose , trotz auffälligem EKG , Lungenfunktion , positiver Serologie , usw . Confused


Mein Eindruck ist sehr häufig , dass Ärzte es sich einfach machen und schnell irgendeine Diagnose her muss .
Liegt sicher auch am Zeitmangel , Budget , fehlendem Forschungsgeist oder Wissen über die Auswirkungen einer Borrelioseinfektion .
Das der Patient aber die nächsten Jahre bei allen folgenden KH-Aufenthalten und Arztbesuchen abgestempelt ist , interessiert wenig.

Liebe Grüße Jo


OnLyme-Aktion.org 


Es gibt nur zwei Tage in deinem Leben,an denen du nichts ändern kannst.
Der eine ist gestern und der andere ist morgen.
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Thanks given by: FreeNine , Filenada , Katie Alba
#8

Hallo,

selbst nach mehreren Sitzungen ist es nicht möglich, herauszufinden, ob der Patient an einer Psychosomatik leidet oder nicht. Wie es mit Depressionen aussieht, weiß ich nicht. Aber ich war 7 Wochen wegen angeblicher somatoformer Schmerzstörung in einer Klinik. Völlig umsonst.
Es hat die Schmerzen in keiner Weise beeinflusst.

Gruß Rosenfan

Älter werden ist die einzige Möglichkeit länger zu leben!
Aber alt werden ist nichts für Feiglinge...


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#9

Zitat:Nun ja, der Borreliosepatient lächelt milde und denkt sich seinen Teil...

@Katie Alba (Beitrag #5)

Hallo Katie, deine Erklärung finde ich sehr gut. Danke!

Und sie hat mich an folgendes erinnert. Vor reichlich 2 Jahren bekam ich von meiner neurol. Spezi eine Überweisung ins Schlaflabor (Text: Differenzialdiagnose: ausgeprägte Tagesmüdigkeit).

Ich war dafür 2 Nächte in der Klinik. Die Ärztin selbst hatte mich im Vorfeld telefonisch kontaktiert zwecks Termin und schon gefragt warum ich komme. Als sie Borreliose (im gleichen Klinikum festgestellt), und den "anderen Rest" hörte meinte sie, da kommt auf mich jetzt viel Vorarbeit zu. Ich werde mir alles anfordern....

Im Aufnahmegespräch stellte sie sich dann als Neurologin und Psychologin vor, die jetzt als Ärztin des Schlaflabores arbeitet.
Jedenfalls hat sie mit mir in den ersten zwei Tagen nebst körperlicher Untersuchung zwei sehr lange Gespräche (ca. 3-4h) geführt zu meiner Krankengeschichte und den vorliegenden Befunden dazu und hat versucht Zusammenhänge zu finden ect. Es war auf alle Fälle einmal kein oberflächliches Gespräch!

Leider sagte sie dann am 3. Tag auf dem Klinik-Gang zu Abschluss (kein Gespräch), von mir bekommen sie nur das Protokoll zur Polysomnographie mit einer Kurzzusammenfassung und den Laborbefund. Etwas anderes gibt es nicht!!!

Mir wurde weder das EEG (Kopf) ect. ausgehändigt. Leider war mir da noch nicht alles bewusst, was man daraus ev. ableiten/lesen kann usw. (Auf meine mehrmalige spätere Anforderung Einsicht in den Befund ect. zu nehmen kam nie eine Rückreaktion.)

Es gab somit nur die Zusammenfassung unter dem Protokoll: .... der Befund entspricht einem leichtgradigen Rückenlage-assoziierten Schlaf-Apnoe-Syndrom. Die Tagesmüdigkeit ist damit nicht erklärbar und es spricht ev. für das Vorliegen einer psychischen Ursache. Man empfiehlt die Einleitung von Psychotherapie. (- Hat aber noch keiner eingeleitet.) ... Gewichtsabbau.... , allgemeiner Muskelaufbau, um die Kondition im Alltag zu verbessern - zwei weitere Empfehlungen.
(Im Gespräch hatte sie mehrmals betont, wir sprechen hier nicht vom Arbeitsalltag, sondern sie müssen erst mal im Alltag klar kommen.)

Ich habe mittlerweile den Verdacht das sie sich versucht hat aus einer Zwickmühle zu winden, weil sie sich ursächlich nicht festlegen wollte/konnte/durfte!
Denn im Vergleich zu den nachfolgenden Begutachtungen von Neurologe und Psychologe z.B. der RV hat sie damals wirklich versucht eine richtige Beurteilung zwecks Diagnose zu erstellen. Sie hätte sich auch viel weniger Zeit nehmen brauchen, um mir letztendlich diese kurze Zusammenfassung zu schreiben.

Nun kann wieder jeder zwischen den Zeilen lesen und sich raussuchen, was ihm in seine Diagnose passt. So sehe ich das jedenfalls. Hintergrund für das ganze Dilemma ist ggf. dein Beitrag:

Zitat: .....sondern vielmehr Ausdruck der Situation unseres Gesundheitssystems und des Verhältnisses der Fachrichtungen zueinander ist. Ich glaube, dass viele Ärzte sehr überfordert sind aufgrund ihrer Arbeitssituation, hinzu kommt noch der Allwissenheitsanspruch, den Patienten und Ärzte selbst an sich haben. Und wenn es dann für einen kranken Patienten keine schnelle Erklärung gibt, ist eine psychische Störung eine schnelle und "bequeme" Problemlösung.

LG freeNine

“Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.” Mahatma Ghandi

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Thanks given by: johanna cochius , Pandabär , Katie Alba
#10

(12.03.2015, 11:38)johanna cochius schrieb:  Mein Eindruck ist sehr häufig , dass Ärzte es sich einfach machen und schnell irgendeine Diagnose her muss .

So sehe ich das auch.
Bestes Beispiel ist eine Bekannte von mir, die den Psychostempel seeeeehr schnell auf der Stirn hatte. Ursache: Alleinerziehend mit zwei Kindern + Vollzeitjob, denn das große Blutbild war ja in Ordnung... Icon_eazy_kotz_graete

Shit happens. Mal bist Du die Taube, mal das Denkmal...

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Thanks given by: Katie Alba , judy


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