Nein, ich glaube das nicht. Das ist so nicht haltbar oder es werden Vergleiche gezogen, die sehr stark hinken.
Ich mach mich mit dem Post vermutlich nicht sonderlich beliebt…
Der Erreger der Syphilis, Treponema Pallidum, hat vergleichbare Generationszeiten wie Borrelia burgdorferi, man kann ja mal schauen, wie die Therapieempfehlungen dort aussehen - im Spätstadium 28 Tage (oder, wie bei Borreliose, 14 Tage Ceftriaxon). Einige werden sofort mit TBC kommen, weil das Mycobacterium tuberculosis ja sehr lange Generationszeiten hat und meist mit 6 Monaten Kombi-Antibiose behandelt wird (auch hier ist das 1/3 der dort angegebenen Zeit. Und bei TBC muss man darauf schauen, dass die ABs nicht vorher abgesetzt werden und den Hintergrund der extremen Resistenzproblematik hat man weder bei Borreliose noch bei der Syphilis).
Meine letzte Strep-Angina ist übrigens wenige Monate her. Da wird in der Regel mit 5-10 Tagen AB therapiert (oder 3 Tagen Azi). Nach 12 Stunden Amoxi war das Gröbste vorbei. Dabei sind Streps teilweise sehr fix mit Resistenzen und Biofilme gibt’s da auch.
Diese vermeintlich besonderen Erregereigenschaften werden etwas überbewertet, fast jedes Bakterium hat irgendwelche Strategien, um sich zu schützen und sehr, sehr viele Bakterien bilden Biofilme (Studien zu „Biofilm-bekämpfenden“ Mitteln sind übrigens auch fast nur im Labor entstanden und nicht in Bezug zur Borreliose. Teilweise wird da auch etwas Geld mit gescheffelt. Ahornsirup war im Labor auch wirksam, schmeckt zumindest recht lecker).
Dass Borrelien intrazellulär leben ist übrigens nicht unumstritten, in ihrer Spiralform sind sie dazu eigentlich zu groß (und Doxy wirkt auch intrazellulär).
Siehe auch dieser Thread zu Persisterzellen, die vermutlich für die Biofilmproblematik mit verantwortlich sind (alle Bakterien bilden Persisterzellen):
http://forum.onlyme-aktion.org/showthrea...0#pid74630
Zu Sapi hab ich mich hier auch schon mal recht ausführlich geäußert:
http://forum.onlyme-aktion.org/showthrea...3#pid61603
Man muss das im richtigen Kontext betrachten. Das sind alles Laborforschungen – da kann man viel entdecken. Was davon in der Praxis relevant ist und wirkt, ist eine ganz andere Geschichte. Wenn nach der Standardantibiose (10-30 Tage AB, je nach Stadium und Antibiotikum) noch Beschwerden da sind, hat man keine Ahnung was hilft. Wie Regi schon gesagt hat, gibt es keine Studien, die in so einer Situation eine bei Menschen wirksame Therapie belegt haben – sei es mit antibakteriellen oder symptommildernden Medikamenten.
Placebokontrollierte Studien mit verlängerten 3-monatigen Antibiosen (mit Doxy, Ceftriaxon oder neuerdings Clari und Quensyl – letzteres galt früher auch mal als „Zystenknacker“) konnten keinen signifikanten Nutzen zu kurzen feststellen. Streng genommen gilt das nur für die untersuchten Antibiotika und natürlich gibt es einige Kritikpunkte an den Studien. Die "Zystknacker" Metro und Tini sind bei Borreliosepatienten weitestgehend unerforscht und auch nicht das Gelbe vom Ei, sonst würden nicht alle verzweifelt nach einer besseren Alternative Ausschau halten.
Dass ein Antibiotikum nicht alle Bakterien erledigt ist nichts Besonderes, sondern bei allen Infektionen so – da kommt die Immunantwort ins Spiel und macht das recht zuverlässig (und bei den sehr wenigen Fallberichten zu Borreliose bei immunsupprimierten Patienten gestaltete sich die Therapie nicht komplizierter oder länger als im Normalfall).
Wichtig ist jedoch auch, dass Borrelien sich gerne in schlecht durchblutete Gebiete zurückziehen, wo sie von ABs teilweise schlecht erreicht werden.
Borreliose kann sehr schlimm verlaufen, aber auch relativ mild (ja, auch in späteren Phasen).
In den meisten Fällen ist sie auch ganz gut therapierbar und viele sprechen auch noch im Spätstadium relativ gut auf Antibiotika an, ohne dass man auf 18-Monate zurückgreifen muss. Sicher gibt es sehr tragische Fälle, wo es sehr kompliziert ist, aber das kann man nicht pauschalisieren und auf alle Patienten übertragen. Je früher therapiert wird, desto besser die Chancen, dass nach ein paar Tagen AB alles vorbei ist.
Wenn Beschwerden nach Antibiose wirklich allein auf irgendwelchen besonderen Eigenschaften der Borrelien zurückzuführen sind, wieso gestaltet sich dann die Standard-Therapie in vielen Fällen so erfolgreich? Einige raten inzwischen pauschal von den oftmals effektiven Standard-Antibiotika wie Ceftriaxon oder Doxy ab vor dem Hintergrund dieser Zystformen (deren Bedeutung bei der Erkrankung sehr spekulativ ist). Ich finde das fragwürdig. Die vorgeschlagenen Alternativen sind meist schlechter erforscht bei Borreliose (Minocyclin wurde in den Laborstudien zu zystischen Formen z.B. gar nicht untersucht – es ist davon auszugehen, dass es sich identisch wie bei Doxy verhält – das oft notwendige 10 tägige Aufdosieren gibt Erregern noch eine wunderbare Vorwarnzeit für Schutzmechanismen, bis sich ein ausreichend hoher Wirkspiegel eingestellt hat –natürlich ebenfalls rein theoretisch gesprochen).
Ich sehe viele der Aussagen sehr skeptisch, weil es alles auf überwiegend unbestätigten Hypothesen basiert. Die diagnostische Situation tut ihr übriges – man kann nicht zwischen aktiver und ausgeheilter Infektion unterscheiden.
Es gibt Berichte, dass Langzeit-Antibiosen bei einigen zu drastischen Besserungen verholfen haben. Das kann man jedoch nicht pauschalisieren (das sollte man generell nie tun, eigene Erfahrungen kann man nicht ohne weiteres auf andere übertragen, ebenso wenig kann man andere Erfahrungen auf sich selbst übertragen) – in einigen Fällen waren dort auch weitere Erreger vorhanden und bei einigen dieser Erreger gibt es auch Studien, die den Nutzen und die Notwendigkeit von längeren Antibiosen belegen (Brucellen, Q-Fieber).
Bei einigen Erregern gibt es dokumentierte Fälle, bei denen eine monatelange Kombiantibiose nicht gewirkt hat (z.B. Mykoplasmen oder Bartonellen). Bei Borrelien gibt’s dazu verschwindend geringe dokumentierte Fälle (sowas ist nur durch Kultur zu belegen und bei den wenigen dokumentierten Fällen, die es gibt, war das die Standardantibiose – beachten muss man natürlich die Schwierigkeit der Kultur aufgrund der geringen Erregeranzahl im Körper und dem bevorzugtem Aufenthaltsgebiet).
Was passiert, wenn mehrere Erreger zusammenkommen weiß auch noch kein Mensch so wirklich.
Warum einige krank werden und krank bleiben ist ungeklärt. Es gibt eine jahrelange Forschungslücke, weil Beschwerden nach erfolgter Antibiose nicht erforscht wurden. Man weiß viel zu wenig über das, was da tatsächlich passiert und vor sich geht. Im Zweifel sollte man jedoch auch immer die Diagnose kritisch überprüfen, wenn die Therapie nicht wirkt (das heißt Besserung, nicht Verschlechterung), vielleicht wurde irgendwas übersehen, was die Beschwerden oder das fehlende Ansprechen auf eine Therapie erklären könnte.
Letzten Endes sind wir Versuchskaninchen, die sich irgendwo in diesem Schlammassel, für das wir nichts können, einen Weg zu mehr Lebensqualität bahnen müssen. Angesichts der derzeitigen Situation ist das schwierig (und das gilt nicht alleine für Borreliose, sondern allgemein für chronische Krankheiten, das ganze System ist auf akute Erkrankungen ausgelegt. Wenn’s komplizierter wird, nimmt der Arzt a priori an, der Patient simuliert oder es sei psychosomatisch. Macht es einfacher, nicht für den Patient, aber für den Arzt) .