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Treat-and-Watch
#1

Liebe Leute,

in dem Thread Borreliose sicher-wahrscheinlich-möglich-unwahrscheinlich haben wir die Diagnosemöglichkeiten einer Borreliose diskutiert: Wann ist eine Borreliose (also eine Krankheitssymptomatik verursacht durch einen akuten oder chronifizierten Borrelieninfekt) gesichert, wahrscheinlich, möglich oder unwahrscheinlich.

Letztlich ist für uns Patienten eigentlich folgende Frage wichtiger: Wann sollte man behandeln, mit welchen Medikamenten und wie lange? Denn werde ich geheilt, so ist es mir letztendlich egal, ob es nun Borrelien waren (die vielleicht im ELISA oder LTT reagierten) oder verwandte Erreger, die Symptome verursachen.

Bei sicherer Borreliose ist die erste Frage einfach zu beantworten, denn auf eine gesicherte Diagnose folgt eine Behandlung. Bei unwahrscheinlicher Borreliose ist eine Differenzialdiagnose und "Wait-and-Watch"-Strategie indiziert.

Bei wahrscheinlicher und möglicher Borreliose ist es kompliziert. Das Puzzlespiel beginnt. Es stellt sich die Frage, inwieweit der zeitliche Verlauf der Symptome und Laborwerte Hinweise auf die bzw. Puzzlestücke zur Diagnose liefen kann. Ein Ansatz ist "Treat-and-Watch":

Fall #1: Einige hier im Forum haben eine "Provokationstherapie" mit Antibiotika machen lassen (teilweise mit Ceftriaxon). Die Hypothese dahinter ist, dass Patienten mit negativer oder grenzwertiger Serologie, ggf. positivem LTT, nach ein- bis zweiwöchiger Therapie vielleicht seropositiv werden. In diesem Fall hat man eine Serokonversion, die einen Hinweis auf einen floriden Borrelieninfekt darstellt und eine (weitere oder längere oder härtere) Therapie rechtfertigt. Herxheimer-Reaktionen und Symptomverbesserungen würden die Diagnose unterstützen. In Kürze: Therapie > steigende Antikörper > Diagnose > Therapie.

Fall #2: Geht es auch in die andere Richtung? Man startet auf Verdacht eine Therapie, in dessen Verlauf die Antikörper und LTT-Werte signifikant abfallen und sich die Symptome verbessern. Was sagt dies nun aus? Eigentlich doch auch, dass die Therapie wirksam ist. In Kürze: Therapie > fallende Antikörper, fallender LTT, Symptomverbesserung > Diagnose wahrscheinlicher > Therapie.

Fall #3: Rührt sich bei einer Versuchstherapie (z.B. Kombitherapie mit den relativ sicheren Antibiotika Azithromycin und Doxycyclin) in mehreren Wochen hingegen gar nichts, keine Symptomänderungen, keine Herxheimer-Reaktion, keine Bewegung bei den Laborwerten, so ist die Verdachtsdiagnose zu hinterfragen und auf eine Differenzialdiagnose sowie "Wait-and-Watch" umzusteigen.

Das Risiko des "Wait-and-Watch" ist eine (weitere) Chronifizierung der Krankheit und eventuell die Triggerung anderer Krankheiten, wie Autoimmunkrankheiten. Das Risiko des "Treat-and-Watch" sind die Nebenwirkungen der Antibiotika, die man eventuell "umsonst" eingenommen hat, da man gar keinen chronischen Infekt hat.

Was haltet ihr davon?

Joker-Zusatzfrage: Und was würde es bedeuten, wenn die LTT-Werte während bzw. nach einer Therapie steigen (Hatte das jemand überhaupt schon mal?)?

Heinzi
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Thanks given by: urmel57 , Regi , hanni , judy , Katie Alba , korri , leonie tomate
#2

Da die Borreliose in den späteren Stadien in den wenigsten Fällen gesichert kann, ist es eigentlich fast immer eine Treat-and-Watch-Situation.

Ich ergänze noch Fall 4:
Therapie > Symptomverbesserung > unveränderte (grenzwertige) Antikörper > Diagnose möglich oder je nach Verlauf oder Symptomen wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich.

Zitat:Und was würde es bedeuten, wenn die LTT-Werte während bzw. nach einer Therapie steigen (Hatte das jemand überhaupt schon mal?)?
So was Ähnliches war bei mir. Meine Diagnose konnte ja ursprünglich mittels PCR aus Haut (ACA) und Blut gestellt werden, bei positiven AK im Sinne des Frühstadiums, respektive grenzwertigen AK im Sinne eines späteren Stadiums. Es wurde während der Therapie (ich war schon 3 Jahre am Therapieren) ein Elispot gemacht, der positiv war. Nach einer 3-monatigen Therapiepause wurde wieder ein Elispot gemacht, der negativ war, obwohl es mir klinisch schlechter ging, als während der Therapie bei positivem Elispot.
Ich habe den Laborarzt gefragt, wie so etwas möglich sei. Er meinte, es wäre möglich, dass bei getarnten Borrelien das Immunsystem nur noch auf absterbende und/oder tote Borrelien reagieren könne. Entsprechend wäre dann der Elispot unter Therapie positiv und ohne Therapie negativ. Seitdem habe ich mir das Geld für Elispot und ähnliche Tests gespart. Ich brauch keinen Test, der mir sagt, ob es mir gut oder schlecht geht. Dafür habe ich eine Körperwahrnehmung und die kostet nichts.

Zitat:Das Risiko des "Wait-and-Watch" ist eine (weitere) Chronifizierung der Krankheit und eventuell die Triggerung anderer Krankheiten, wie Autoimmunkrankheiten. Das Risiko des "Treat-and-Watch" sind die Nebenwirkungen der Antibiotika, die man eventuell "umsonst" eingenommen hat, da man gar keinen chronischen Infekt hat.
Ich finde, dass die NW einer oralen Therapie überschaubar sind, auch wenn in hoher und langer Dosierung therapiert wird. Dieses Risiko steht in keinem Verhältnis zum Risiko einer Chronifizierung. Es muss ja nicht immer Ceftriaxon i.v. sein. Im Gegenteil: Mit Doxy z.B. erwischt man eine ganze Reihe von Erregern und es wirkt erst noch intrazellulär, nicht wie Ceftriaxon, das nur extrazellulär wirkt. Bei einer Treat-and-Watch-Therapie sehe ich die Gefahr, dass sich der Arzt nicht traut, höher zu dosieren als in der Fachinformation von Doxy angegeben. Bei 200 mg Doxy würde ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrung bei Nichtansprechen eine Borreliose oder andere unbekannte Infektion nicht ausschliessen.

LG, Regi

Je mehr ich über die Borreliose weiss, desto mehr weiss ich, dass man fast gar nichts weiss.

Nichts auf der Welt ist gefährlicher als aufrichtige Ignoranz und gewissenhafte Dummheit. (Martin Luther King)

Absenz von Evidenz bedeutet nicht Evidenz für Absenz
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Thanks given by: Heinzi , urmel57 , judy , Katie Alba , korri , leonie tomate
#3

Als weitere Punkte kommen hinzu:

Borreliose gibt es nicht isoliert, heißt es, sondern es sind immer Co-Infektionen dabei. Was bedeutet das für die Medikamentenauswahl? Günstig wäre eine Medikamenten-Kombination, die alle vorhandenen Erreger erfaßt. Aber wie viele solcher Kombinationen gibt es überhaupt? Dazu kommt, die Wenigsten kennen ihr persönliches Erreger-Gemisch.

Und bei chronischer Chlamydien-Infektion z.B. sehen die empfohlenen Therapien doch zum Teil recht anders aus als bei der chron. Borreliose/Co-Infektionen. Nicht Wenige haben ein Problem mit Borrelien und Chlamydien – wie geht man da vor? Zu diesen Fragen habe ich bisher nichts gefunden.

Wenn man das Erregergemisch nicht kennt, geht der Spezi vermutlich/eventuell nach den Beschwerden: ob es Beschwerden gibt, die für einen ganz bestimmten Erreger typisch sind. Wenn das der Fall ist, werden dann Medikamente ausgesucht, die in erster Linie diesen Erreger treffen?

Was auch schon im Forum thematisiert wurde: die Frage der Beurteilung von Reaktionen während einer antibiotischen Kombinationstherapie.

Wenn ich im Forum lesen, ist es viel öfter der Fall, daß es schwer bis unmöglich ist, die Reaktionen während der Antibiotika-Therapie richtig einzuschätzen:
handelt es sich um eine Herxheimer Reaktion
oder um Wirkungen oder Nebenwirkungen der verschiedenen Antibiotika
oder einfach um eine schlechtere Zeit, weil "der Körper ja schwer arbeitet“
oder tut sich überhaupt etwas, wenn man sich z.B. über Wochen nur furchtbar elend fühlt ohne Aufs und Abs.
Irgendwo hatte auch mal jemand, dem es inzwischen sehr viel besser ging, seinen Zustand, der über sehr lange Zeit unverändert blieb, im Nachhinein als "2 Jahre Dauer-Herx“ beschrieben.

Wenn z.B. Dr. Horowitz schreibt und in seinen Vorträgen sagt, daß er i.d.R. nach 4 Wochen weiß, ob die Therapie wirkt, dann würde mich wirklich interessieren, woran er das genau festmacht und wie er oben geschilderte Verläufe beurteilen würde.
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Thanks given by: urmel57 , judy , Katie Alba , Regi , bluesky4ever , hanni , korri , DanielaFe , Greif
#4

Zitat:Borreliose gibt es nicht isoliert, sondern es sind immer Co-Infektionen dabei.

Da muss ich widersprechen: ich hatte keine Co-Infektionen, sondern *nur* Borreliose.

Gruß - Rosenfan

Älter werden ist die einzige Möglichkeit länger zu leben!
Aber alt werden ist nichts für Feiglinge...


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Thanks given by: Regi
#5

Wie kann man denn genau wissen ob man "nur" Borreliose hat?
Nur weil evtl. Tests auf Ko-Infektionen negativ ausfallen, kann man trotzdem welche haben.
Und seltenst wird ein Patient auf alle Erreger getestet, bzw. gibt es sicher noch ein Haufen Erreger die wir noch nicht testen können, da wir sie noch gar nicht kennen :-(


LG Jo

Liebe Grüße Jo


OnLyme-Aktion.org 


Es gibt nur zwei Tage in deinem Leben,an denen du nichts ändern kannst.
Der eine ist gestern und der andere ist morgen.
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#6

Hallo Regi,

vielen Dank für deine Kommentare und Ergänzungen, die, wie so oft, sehr hilfreich sind!

Mit positivem PCR aus Haut und Blut hast du eine gesicherte Borreliose. Bei Vielen hier im Forum ist die Borreliose aber nur wahrscheinlich oder möglich. In diesen Fällen haben positive LTT-Werte schon einigen Leuten geholfen, überhaupt eine Behandlung zu bekommen bzw. eine Behandlung bezahlt zu bekommen. Und dann könnte der Verlauf der Laborwerte die Diagnose vielleicht festigen oder eben weniger wahrscheinlich machen. Das wollte ich ansprechen. Es wird meiner Meinung nach zu häufig nur von singulären Laborwerten gesprochen, aber vielleicht gibt der Verlauf wichtige Zusatzinformationen, ob eine Therapie in die richtige Richtung geht oder nicht.

Interessant wäre, ob es auch noch andere Laborwerte gibt, die Hinweise auf die Wirkung einer Testtherapie geben können, im Sinne eines Therapie-Monitorings, zum Beispiel ob das Immunsystem sich stabilisiert. Horowitz schreibt in seinem Buch zum Beispiel, dass viele seiner Patienten mit chronischen Infektionen ein erniedrigtes Immunglobulin-M haben. Es wäre interessant vom ihm zu erfahren, ob sich der Wert bei seinen Patienten im Laufe der Therapie erholt.

Heinzi
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Thanks given by: Regi , leonie tomate
#7

Aufgrund der miesen Diagnostik orientiere ich mich weiterhin an meinem Körpergefühl. Das ist gratis. Was nutzt mich ein Test, der schlussendlich doch keine Aussagekraft hat, womöglich sogar in beide Richtungen etwas aussagen könnte. Wenn endlich mal was Schlaues verfügbar ist, guck ich mir die Radieschen sicher schon von unten an.

Ich brauche keine gesicherte Diagnose, nur einen Arzt, der mir die Therapien verschreibt, die mir Lebensqualität erhalten oder zurückgeben. Im Rentenverfahren hingegen war die Sicherung der Diagnose natürlich hilfreich.

LG, Regi

Je mehr ich über die Borreliose weiss, desto mehr weiss ich, dass man fast gar nichts weiss.

Nichts auf der Welt ist gefährlicher als aufrichtige Ignoranz und gewissenhafte Dummheit. (Martin Luther King)

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