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Medikamente gegen Borrelien-Persister - Druckversion

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RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Valtuille - 24.09.2016

Auf Youtube finden sich Videos von der Ottawa Konferenz, in der sich Ärzte mit verschiedenen Ansichten zum Thema geäußert haben.
Empfehlenswert ist diese Fragerunde mit Ying Zhang, Maloney (Ilads), Bowie (IDSA) und Hatchette. Die Fragen stellen Patienten und Ärzte.
https://www.youtube.com/watch?v=pT5R5r_akCI&feature=youtu.be&list=PLGVatzhW64xeCJ1iNbHgN20WYT6Dfm05J

Einzelpräsentationen von Zhang weiteren Ärzten finden sich auf dem gleichen Youtube-Kanal.


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Heinzi - 24.09.2016

Einige Inhalte (nicht vollständig!):

Einer, der eine Frage stellt, dessen Tochter Borreliose hat, meint: "The more I read, the less I knew."

Zhang bei Minute 10:45 darüber, dass Medikamente gegen Co-Infektionen und Pilze auch gegen Persisters helfen können.

Zhang bei Minute 17:00 darüber, dass Persisters seiner Erfahrung nach nicht durch Ceftriaxon alleine getötet werden können (im Labor). Später (um Minute 27): Nur eine Dreier-Kombi tötet Persisters (im Labor).

Minute 29: Werden die im Labor gefundenen Kombis-ABs an Tieren oder Patienten getestet? Er gibt verschiedene "schools of thoughts". Eine will diese direkt im Menschen testen, andere zunächst in Tieren. Um die Leitlinien zu ändern braucht man aber "proper clinical trials" mit Unterstützung der Regierung. Tests in Tieren wird bereits durchgeführt. Minute 31: Es wird gesagt, dass es in der Literatur sehr sehr viele Fälle gibt, in denen in vitro Ergebnisse nicht auf in vivo übertragbar sind. Tests an Menschen wären also unethisch, wird gesagt. Maloney erwidert, dass Horowitz die Kombis aber bereits an etwa 100 Patienten mit deren Zustimmung angewendet hat.

Minuten 53-56: Eine Krankenschwester erzählt sehr aufgeregt ihre Krankheitsgeschichte, wird dann von der Moderatorin hingewiesen endlich die Frage zu stellen. Die Dame ist völlig fertig mit den Nerven.

Minute 58:00: Eine Betroffene will einen Satz zum "Quote-Board" ergänzen: "Absense of evidence is not evidence of absense." Ich würde das mal grob mit "Das Fehlen von Beweisen ist nicht der Beweis für die Nicht-Existenz [einer chronischen Borreliose]", wobei das Wortspiel im deutschen nicht so schön funktioniert. Weiter sagt sie: "I have recovered from Lyme, and I believe that this makes ME an expert and not YOU guys an expert." (Applaus im Publikum). Dann zitiert sie Einstein.

(Was mich ein wenig verwundert ist, dass alle diese Videos nicht einmal 1000 Mal gesehen wurden.)


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Waldgeist - 25.09.2016

Hallo Heinzi, Icon_winken3

danke für die Übersetzung; Smile

Grüße, Waldgeist


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Valtuille - 25.09.2016

Ergänzend zu Heinzi:

Zhang bezieht sich bei Ceftriaxon auf die Studie von Kim Lewis und meint, dass sie die Ergebnisse mit gepulstem Ceftriaxon nicht reproduzieren können.
Link zum entsprechenden Thread der Studie: http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=4960&pid=74630#pid74630
Zhang sagt, dies würde am Alter der Kultur liegen. Lewis hat mit einer sehr jungen Kultur gearbeitet (3 Tage waren es glaube ich?), bei einer älteren Kultur (5 bis 7 Tage) wird es schwierig und ist mit Ceftriaxon nicht zu erreichen.
In vitro dauert es 5 bis 7 Tage mit der 3er AB-Kombi, bis keine Borrelien mehr nach wachsen.

Zhang bezieht sich auf die Ergebnisse der erwähnten Studien in diesem Thread bei den Mitteln für Co-Infektionen (Artemisinin, Rifampicin, ein Fluorchinolon und Fluconazol).

Tierstudien sind laut Ying Zhang bereits gestartet und er hält dies für den richtigen Weg: Von in vitro zu Tierstudien und dann erst Versuche an Menschen. Jedoch erwähnt er, dass alle seine Medikamente von der FDA zugelassen sind und nicht immer so strikt vorgegangen werden muss. Er erinnert daran, dass bei Doxycyclin auch keine Tierstudien stattgefunden haben, bevor es als Mittel der Wahl bei Menschen Verwendung fand.

Bowie, der an der Überarbeitung der IDSA-Guidelines mitwirkt, äußert starke Bedenken bei den Mitteln aus der Zhang-Studie, weil, wie Heinzi erwähnt hat, es haufenweise Beispiele gibt, in der in vitro Experimente nicht auf Tiere oder gar Menschen übertragbar waren. Daptomycin ist eines der letzten Reservemittel für MRSA und eine breitere Verwendung in Abwesenheit von belastbaren Studien sei sehr gefährlich.
Bowie sagt, er wäre jemand, der lieber überbehandelt als unterbehandelt, solange er dies für sich auch rechtfertigen kann.

Interessant ist auch die Präsentation von Bowie, welche die Sichtweise der IDSA wiederspiegelt (werden sich hier nicht alle freiwillig anhören, ich finde es trotzdem interessant).
Er geht auch auf die Studie aus den Niederlanden ein ( Link zum Thread:
http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=5797&pid=72977#pid72977 ) und verweist auf deutliche Mängel, stellt jedoch die Schlussfolgerung, längere Antibiosen seien kürzeren nicht überlegen, nicht in Frage.
https://www.youtube.com/watch?v=vX87qXUbHQY

Wie immer sehr hörenswert ist auch Brian Fallon, der sich zu den kontrollierten Studien zur Langzeitantibiose auseinandersetzt:
https://www.youtube.com/watch?v=oXupusMjAJ8

Dattwyler referiert (ziemlich zurückhaltend) über Diagnostik, die Probleme zu Beginn der Diagnostik bestanden (80er Jahre) und fordert, dass nun neue Forschung mit modernen Technologien stattfinden muss, dazu benötige es aber Fördermittel. Er forscht derzeit zum Elispot und bezeichnet den C6 ELISA als den derzeit besten Einzeltest. Der Blot sei nicht als Einzeltest geeignet, da er mit sehr vielen Problemen einhergeht, er kam damals vor allem aufgrund der hohen Anzahl an falsch positiven Testergebnisse im Screening Test zu stande. Problematisch sei die Spätphase, da es mit derzeitigen Mitteln sehr schwierig ist, die Personengruppe richtig zu identifizieren und man sehr viel falsch machen kann.
https://www.youtube.com/watch?v=3PzS3mzHHHo

Die Präsentation von Ying Zhang selbst ist anscheinend doch (noch) nicht hochgeladen.


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Valtuille - 08.10.2016

Inzwischen ist der Vortrag von Ying Zhang online:
https://www.youtube.com/watch?v=5oULsr1CUyI

Einige Notizen, die sich größtenteils mit den zuvor erwähnten Auszügen überschneiden:

Borrelia burgdorferi ist ein sehr einzigartiges Bakterium, bei Rückfällen kann der Erreger bislang nicht kultiviert werden.
Man kann morphologische Änderungen beobachten: Round Body-Formen („Zysten“), Mikrokolonien (biofilmartige Strukturen) die beide sehr resistent gegen gewöhnliche Antibiotika sind.
Jedes Mal wenn die morphologische Form sich ändert, verändert sich die Antigenexpression, was das Immunsystem irritiert und die Diagnostik und Behandlung erschwert.
Es zeigen sich keine linearen Krankheitsverläufe, sondern Schwankungen mit Höhen und Tiefen, was sich so nicht wie bei anderen Infektionen zeige. Es ist wichtig offen zu sein, da es noch viele Unklarheiten gibt.

Es gibt verschiedene Stadien: Früh lokalisiert (EM), früh disseminiert (Karditis, Neuroborreliose), Spätstadium (Arthritis) und PTLDS
Die frühen Stadien sind einfach zu behandeln mit einer Mono-Therapie, im Spätstadium noch Ceftriaxon. Bei PTLDS funktionieren bisherige Therapien nicht, was die große Kontroverse sei.
Bei PTLDS sind trotz Standard-AB 6 Monate nach Treatment noch Beschwerden vorhanden.
Die PTLDS Ursache ist unklar: Antigen-Debris, Auto-Immun, Co-Infektionen (Opportunistische Erreger), permanente Schäden oder persistierende Infektion.
Es gibt kein von der FDA zugelassenes Protokoll für PTLDS, die Patienten leiden, es entstehen erhebliche Kosten für Behandlungen, die nur einen geringen Nutzen aufweisen.

Er führ die bisherige Evidenz zu persistierender Infektion aus (Maus, Hund und Affen, Xenodiagnose) und betont, dass es immer nur Erreger-DNS war und keine Kultur gelang.
Dies sei ein einzigartiges Merkmal, was konservative Ärzte verleitet zu sagen, dass es daher auch keine lebenden Erreger sein können.
Seiner Meinung nach ist es eine Art von Persister-Erreger. Die DNS persistiert über Monate, normalerweise müsste die DNS innerhalb weniger Wochen nicht mehr nachweisbar sein.
In der Barthold Studie wurde bei Mäusen nach 12 Monaten auf einmal DNS gefunden. Dies weise auf sich vermehrenden Erreger hin, die aber nicht kultiviert werden können.

Es gibt auch einige in Vitro Hinweise auf eine limitierte Aktivität der bisherigen Antibiotika gegen Borrelien. Es sind keine Resistenzen, sondern Persister, die bereits seit den 1940ern bekannt sind und auch bei Infektionen bei TBC oder Harnwegsinfektionen eine elementare Rolle spielen.

Es sei wie beim Unkraut: Gegenwärtige ABs sind ein Rasenmäher: Die Wurzel verbleibt und das Unkraut wächst nach, man braucht eine Schaufel um die Wurzel auszugraben. Bei TBC ist Pyrazinamid die Schaufel und essentiell um die Therapiedauer zu verkürzen.
Er erklärt sein Ying Yang Modell:
Yang steht für wachsende Formen, Ying für nicht wachsende Formen, es braucht eine AB-Kombi, die beide Seiten bekämpft. Bei TBC: 3er Kombi. Verkürzt die Therapie von 18 auf 6 Monate. Es darf nicht irgendeine Kombi sein, sondern die richtige Kombi.
Von den Standardantbiotika sind Cephalosporine am effektivsten. An erster Stelle steht Ceftriaxon, danach Cefuroxim, was nicht häufig verwendet wird.
Auch Spirochätenpersister sind einfacher zu bekämpfen als Round body-Formen oder Mikrokolonien, die in vitro nur mit Kombis bekämpfbar sind.
Weitere Studien müssen die Heterogenität der Patienten berücksichtigen. Bei den Patienten könnten verschiedene Erkrankungen oder Ursachen für die Beschwerden verantwortlich sein, diese schließen sich nicht gegenseitig aus.
Man darf nicht behaupten, dass bereits alles bekannt sei, da man sich gegenüber neuen Erkenntnissen oder Ansätzen verschließt. Er freut sich über die neue Offenheit einiger IDSA Ärzten, die nun auch persistierende Infektionen in Erwägung ziehen.


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Ehemaliges Mitglied - 08.10.2016

Zitat aus #55
Danke für die Zusammenfassung. Ich gehe vom B31 Stamm aus, der da eine Rolle spielt, oder ? Gute Ansätze/Zusammenfassung, aber eine Neuigkeit ?

Zitat
" Es sei wie beim Unkraut: Gegenwärtige ABs sind ein Rasenmäher: Die Wurzel verbleibt und das Unkraut wächst nach, man braucht eine Schaufel um die Wurzel auszugraben. Bei TBC ist Pyrazinamid die Schaufel und essentiell um die Therapiedauer zu verkürzen. "

Vielleicht traue ich mich einmal.
http://www.epochtimes.de/gesundheit/monsanto-lobbyist-glyphosat-kann-man-trinken-ein-glas-schadet-nicht-video-a1330893.html


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Valtuille - 08.10.2016

Das bezieht sich ja überwiegend auf die verlinkten Studien in diesem Thread, daher wird wenig Neues dabei sein.
Was den Stamm angeht habe ich hier im Thread bereits was geschrieben:
"Neben dem Laborstamm B31 wurde auch ein anderer Stamm getestet, wobei sich keine signifikanten Unterschiede der Wirksamkeit zeigten."
http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=7565&pid=104141#pid104141


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Filenada - 08.10.2016

Danke, Valtuille, für die super Zusammenfassung! Heart

(08.10.2016, 11:06)Valtuille schrieb:  Jedes Mal wenn die morphologische Form sich ändert, verändert sich die Antigenexpression, was das Immunsystem irritiert und die Diagnostik und Behandlung erschwert.
Es zeigen sich keine linearen Krankheitsverläufe, sondern Schwankungen mit Höhen und Tiefen, was sich so nicht wie bei anderen Infektionen zeige.

DAS sollte man jedem praktizierenden Doc in seine Schreibtischplatte ritzen!


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - urmel57 - 08.10.2016

Zitat:Man darf nicht behaupten, dass bereits alles bekannt sei, da man sich gegenüber neuen Erkenntnissen oder Ansätzen verschließt. Er freut sich über die neue Offenheit einiger IDSA Ärzten, die nun auch persistierende Infektionen in Erwägung ziehen.

Das sollten sich auch hier die Leitlinienautoren auf ihren Bildschirm ritzen.....
Danke für die tolle Zusammenfassung. Das ist genau der Punkt, wo wir hin sollten.

Liebe Grüße Urmel


RE: Medikamente gegen Borrelien-Persister - Valtuille - 01.11.2016

Neue Studie zu gepulstem Ceftriaxon von der Zhang Gruppe
In einer anderen Studie (siehe hier vom Team von Kim Lewis:
http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=4960&pid=74630#pid74630 ) wurden mit 4 gepulsten Ceftriaxon-Runden Borrelien-Persister eliminiert. Dabei handelte es sich um eine 5 Tage alte Kultur der exponentiellen (log) Phase. In dieser Studie wurde untersucht, ob gepulstes Ceftriaxon auch bei einer 10 Tage alten Kultur der stationären Phase mit resistenteren Persister-Formen (Mikrokolonien) effektiv ist.

Es zeigte sich, dass gepulstes Ceftriaxon lediglich Spirochäten und „round body“ Formen der exponentiellen Phase eliminieren konnte, nicht jedoch die resistenteren biofilmartigen Mikrokolonien der stationären Phase.
Zudem wurde festgestellt, dass nicht alle Antibiotika sich für gepulste Behandlungen eignen. Bakterizide Antibiotika wie Ceftriaxon oder Cefuroxim waren besser geeignet als bakteriostatische Antibiotika wie Doxycycline oder Persister-Antibiotika wie Daptomycin.

Zudem zeigte sich, dass gepulste Kombinationsbehandlungen effektiver als Einzelmedikamente waren.
Jedoch wurde auch festgestellt, dass gepulste Antibiotikagaben die Effektivität der Persisterdroge Daptomycin und der Dreier-Kombination verringert.
Die effektivste Art sei die Dreier-Kombination aus Doxycycline, Daptomycin und Cefoperazone ohne Pulsierung.
In dieser Studie fanden sich Hinweise, dass Ceftriaxon oder Cefuroxim eine Alternative zu Cefoperazon sein können.
Die Studie weist darauf hin, dass gepulste Antibiotikagaben nicht immer wirksam und von dem jeweiligen Medikament abhängig sind.

http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fmicb.2016.01744/abstract