Urmel schrieb:Grundsätzlich wäre die Meldepflicht eine gute Sache - aber die Tatsachen sind die, die ich oben aufgeführt habe: Es wird keine realistischen Zahlen geben....
Bei einer Meldepflicht wird immer! von einer Untererfassung ausgegangen. Nicht nur bei Borreliose (dort durch die engen Fallkriterien natürlich in besonderem Maße). Aufgrund von Vergleichsuntersuchungen (Capture-Recapture-Methode) geht das RKI z.B. von einer 90%igen Erfassung invasiver Meningokokkenerkrankungen aus, bei der Creutzfeld-Jakob-Krankheit sind es noch 60 %, bei den Echinokokkosen nur noch 30 %.
Urmel schrieb:zusätzlich werden viele Infizierte, die die Zecke nicht bemerkt haben und keine Wanderröte hatten, durchs Raster fallen - und das sind Problemfälle der Zukunft, die mit dieser Statistik nicht erfasst werden.Frage, was sollen diese Zahlen, die auf unrealistischen unvollständigen Kriterien fussen, verändern für genau diese Fälle?
Das ist ein Äpfel-Birnen-Vergleich. Die Problemfälle der Zukunft werden nicht durch eine Meldepflicht erfasst (Inzidenz-Prävalenz).
Eine Meldepflicht erfolgt zunächst zur Erfassung des Infektions- und Erkrankungsrisikos, damit Maßnahmen getroffen werden können, um die Ausbreitung der Infektion zu vermeiden. Dazu gehören auch Studien und Untersuchungen zur Zeckenpopulation, Durchseuchungsrate, regionale Häufungen etc.
Urmel schrieb:Da wären doch die Zahlen der Krankenkassen viel aussagekräftiger
Die Zahlen welcher von den 134 gesetzlichen Krankenkassen? Diese Zahlen erfassen zudem alle Arztkontakte. Solche Zahlen sind relevant für die Ermittlung der Prävalenz aber weniger zur Ermittlung der Inzidenz, jedenfalls nicht ohne einen mindestens genauso hohen bürokratischen Aufwand zu verursachen. Eine Meldepflicht hat dazu den Vorteil, dass es für den Nachweis meldepflichtiger Erreger eine Ausnahmeregelung gibt (Kennziffer 32006), die das Budget des meldenden Arztes nicht belastet und da sitzt doch der Hase im Pfeffer. Meiner Meinung nach wissen die niedergelassenen Ärzte sehr wohl um die Problematik der Borreliose, das Ausweichen auf andere Erkrankungen ist für sie aber weniger problembehaftet und dazu noch lukrativer.
Urmel schrieb:Man kann es drehen und wenden wie man will - die Fälle, die gemeldet werden, werden jetzt schon gut erkannt und wohl auch oft erfoglreich behandelt.Ein Follow-up dieser Fälle über mindestens 10 Jahre wäre interessant, ob es wirklich so erfolgreich war. Das ginge aber auch ohne Meldepflicht, wenn es denn gewollt wäre
Die Zahlen zur Inzidenz sagen gänzlich nichts über Versagerquoten aus. Die Bereitschaft für Langzeit-Studien und eine verbesserte Diagnostik ist aber sicher höher bei entsprechend hohem Infektions- und Krankheitsrisiko.
Vorliegende Studien wie auch die Zahlen der Krankenkassen belegen bei Borreliose eine relativ hohe Versagerquote nach Standardtherapie. Selbst bei einer relativ niedrig angesetzten Versagerquote ergeben sich daraus hochgerechnet auf die Bevölkerung (rund 82 Millionen Einwohner) ganz erhebliche Kosten nicht nur für unser Gesundheitssystem.
Man sollte sich auch nicht von den verharmlosenden Berichten eines NRZ beeindrucken lassen. Bei Borreliose werden die Fallzahlen in Erkrankungen pro 100 000 Einwohner angegeben, bei FSME die absoluten Fallzahlen! Die Zahlen bei der FSME sind geradezu peanuts gegen die Fallzahlen bei Borreliose und trotzdem wird vorrangig nur vor FSME gewarnt. Dabei fällt völlig unter den Tisch, dass es auch bei FSME zu falsch positiven Antikörpernachweisen kommt, dass 2/3 aller mit FSME Infizierten überhaupt nicht erkranken und natürlich sehr wohl auch Borreliose-Betroffene unter Langzeitschäden leiden. Das wird dem NRZ zwangsläufig irgendwann um die Ohren fliegen