Coprosma schrieb:Tinidazol ist lt. Lehrbuch Dr. Berghoff eines der wenigen Antibiotika, das gegen die bekannten Hindernisse (Intrazellulär, Blut-Hirn Schranke, Zyst. Formen, Bio-Filme) wirken kann (siehe Tabelle).
Ist jemanden bekannt, warum im gleichen Lehrbuch beschrieben wird, dass eine Monotherapie in höherer Dosierung nicht möglich ist?
Zu den Gründen des Autoren des erwähnten Lehrbuchs kann ich nichts sagen, jedoch etwas zu Tinidazol bzw. den Studien, mit denen die Empfehlungen begründet werden.
Tinidazol ist gegen Borrelien in der Spirochätenform und eventuelle Biofilme nicht wirksam. Dass im Liquor eine Wirksamkeit auf Zystformen ("round Body forms") besteht, halte ich für sehr unwahrscheinlich, da selbst im Blut die erreichbaren Wirkspiegel fast schon zu gering sind und die maximalen Konzentrationen im Liquor weit unter denen im Blut liegen.
Diese Behauptungen basieren auf einer reinen Laborstudie aus New Haven, deren Aussagekraft mehr als fragwürdig ist. Die Dosierungen, bei denen Tinidazol/Metronidazol auf Borrelien wirksam sind, liegen 10 mal so hoch, wie die Dosierungen, die maximal im Blut erreicht werden können. Das ist keine Wirksamkeit, das ist Resistenz.
Schade ist, dass Spezis anscheinend nicht in der Lage sind, Forschungsergebnisse vernünftig zu interpretieren.
Die ersten Studien von den Brosons aus Norwegen zur Wirksamkeit von Tinidazol und Metronidazol auf Borrelien waren da besser.
In der Studie von den Brosons wurde festgehalten, dass Borrelien in ihrer Spirochätenform resistent gegen Tinidazol sind und Tinidazol nur eine gewisse Wirksamkeit auf zystische Formen hat, die jedoch dosisabhängig ist. Bei einem Gramm Tinidazol wird im Blut jedoch nicht ganz die Konzentration erreicht, mit der sich die Zysten im Labor aufgelöst worden sind.
Zusammenfassend mal die Ergebnisse der bekannten Studien zu Tinidazol und Metronidazol:
Broson und Broson/Norwegen: Tinidazol und Metronidazol haben eine gewisse Wirksamkeit auf zystische Formen der Borrelien, keine auf die Spirochäten-Form. Die maximal erreichbare Konzentration von Tinidazol im Blut (die höher liegt, als im Gewebe, wo sich die Borrelien gerne aufhalten) liegt sehr nahe an der Konzentration, die für eine Wirksamkeit auf zystische Formen benötigt wird.
http://www.im.microbios.org/26June04/09%20Brorson.pdf
Sapi/New Haven: Tinidazol und Metronidazol haben in erreichbaren Konzentrationen keine Wirksamkeit auf Borrelien in Spirochätenform oder auf Borrelien-Biofilme. Die Wirkung auf zystische Formen von Metronidazol bei der schon kaum noch erreichbaren Konzentration ist vorhanden aber relativ gering, die von Tinidazol kann nicht beurteilt werden, da nur mit Dosierungen gearbeitet wurde, die über den Spiegeln liegen, die maximal im Blut vorhanden sein können.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3132871/
Zhang/Johns Hopkins Universität: Die minimale Hemmkonzentration (die geringste Dosierung, bei den ein Medikament im Labor anfängt sich hemmend auf die Vermehrung von Erregern zu wirken) von Metronidazol liegt über den maximal erreichbaren Serumspiegeln.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4126181/
Lewis/Northeastern University: Die minimale Hemmkonzentration von Metronidazol ist im Vergleich zu den erreichbaren Serumspiegeln zu hoch, als dass es ein effektives Mittel für Borrelien (und deren Persisterformen) sein kann.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4505243/
Das heißt, die Aussage, Tinidazol sei auf alle Borrelienformen wirksam, ist falsch. Welche Rolle (bzw. überhaupt eine) die erwähnten zystische Formen auf Erkrankungen und bleibende Beschwerden nach Antibiose spielen, ist bislang völlig ungeklärt. Daher ist eine Monotherapie auch nicht zu empfehlen, eine Kombinationstherapie mit Tinidazol zur Behandlung der Borreliose halte ich, angesichts der Studienlage, für fragwürdig und nicht für das Mittel der Wahl. Studien zur Wirksamkeit an Menschen fehlen, Anekdoten und Beobachtungen halte ich hier für nicht wirklich hilfreich:
1. wird es fast immer in Kombi oder nach einer anderen Antibiose gegeben,
2. sehen Spezis ihre Patienten eh kaum, um diese Beobachtungen auch ausreichend einschätzen zu können,
3. kann eine vom Patienten empfundene Wirksamkeit nicht auf eine Wirksamkeit auf Borrelien zurückgeführt werden - evtl. ja auf andere Erreger - und die Übertragbarkeit der Erfahrungen ist hier auch nicht möglich.
Der Link von Borräger zu Sunflowers Post ist sehr empfehlenswert.
Ergänzend möchte ich noch meine Zusammenfassungen im dem Zhang-Thread hier verlinken, die weitere Aspekte der erwähnten Sapi-Studie thematisieren:
https://forum.onlyme-aktion.org/showthre...8#pid87958