Markus schrieb:Kann ich dir nicht sagen, hab ich aber auch nicht behauptet. Die DBG hat Sapi ja einen Preis verliehen, für ihre Leistungen. Ich finds allgemein schon etwas abstoßend, jemandem einen Preis zu verleihen, dafür dass er nur seinen (gutbezahlten, gemächlichen und angesehenen) Job macht.
Es war jetzt nicht konkret auf dich bezogen, sondern eher darauf, dass Sapi teils als Heldin gefeiert wird, wie du ja auch richtig anmerkst. Das kam vielleicht etwas falsch rüber. Dass man nicht gleich Luftsprünge machen sollte und erwarten kann, dass nach einem Jahr alle Antworten da sind, ist natürlich richtig.
Zu dem zweiten Satz hab ich jedoch eine andere Meinung, da Sapis Ruf alles andere als gut ist, außerhalb von Lymeland. Das Gebiet der Borreliose ist ziemlich vermint, insbesondere wenn man sich etwas aus dem Fenster lehnt, wie es Sapi macht (jedoch ohne wirklich fachlich herausragend zu sein).
Wenn nun zwei renommierte, fachlich herausragende Wissenschaftler wie Lewis und Zhang sich diesen Themen widmen, ist das sehr bemerkenswert. Zum einen rückt es Hypothesen zur Erregerpersistenz in eine ernstzunehmende Richtung und zum anderen setzt das auch ein Zeichen, das vielleicht eine offenere Forschung zur Folge hat.
Viele hätten Angst, ihren Ruf und ihre Reputation aufs Spiel zu setzen, wenn sie sich so positionieren, wie es Lewis und Zhang tun. Die beiden spielen aber in einer so hohen Liga, dass sich nur wenige trauen, da wirklich Inkompetenz vorzuwerfen, wie es bei Sapi häufig gemacht wird oder bei Horowitz.
Zum Thema Erregerpersistenz, Spätborreliose und chronische Borreliose:
Das ist ein sehr undurchsichtiges Gebiet, was auch an Begrifflichkeiten liegt, ich hoffe ich kann da ein paar Unklarheiten beseitigen:
Die offizielle Seite bestreitet keineswegs die Spätborreliose. Spätmanifestationen wie Lyme-Arthritis (durch die Borrelien erst in Zecken entdeckt wurden), späte (oder "chronische") Neuroborreliose (angeblich extrem selten) und Acrodermatitis chronica atrophicans (bereits lange vor Old Lyme beschrieben!) sind anerkannte Spätmanfestationen, die entsprechend therapiert werden müssen und wo es auch außer Frage ist, dass es nach einer antibiotischen Therapie Beschwerden geben kann (was jedoch kein (!) Post-(Treatment)-Lyme-Syndrom nach IDSA ist). Diese Manifestationen werden auch häufig nicht korrekt erkannt von Otto-Normal-Ärzten. Wobei offiziell unklar ist, ob anhaltende Beschwerden nach Therapie (mehrere Monate) nun auf bestehende "Schäden" (Neuro-Lyme, ACA), autoimmun-Reaktionen (Lyme-Arthritis) oder Erregerpersistenz zurückzuführen ist. Letztere wird bei Arthritis zumindest in Erwägung gezogen und es wird auch eine Wiederholung der Antibiose empfohlen, bei bleibenden Beschwerden, jedoch mit ausreichendem zeitlichen Abstand, da bekannt ist, dass die Besserung auch erst nach dem AB eintreten kann.
Das Ansprechen ist jedoch teilweise bescheiden, weshalb offiziell eine Erregerpersistenz für unwahrscheinlich oder zumindest selten gehalten wird, was auch daran liegt, dass es nur sehr wenige Studien an Menschen gibt, die ein Überleben der Borrelien nach Antibiose beweisen (per Kultur - PCR ist was anderes). Letzteres ist aber zum einen bei jeder Infektion möglich - es bleiben immer Bakterien übrig, mit denen das Immunsystem dann fertig wird und zum anderen waren die Patienten, bei denen Borrelien nach AB kultiviert werden konnten, teilweise beschwerdefrei. Andererseits gestaltete sich die Therapie von immunsupprimierten Patienten nicht komplizierter (wobei es da nur wenige Fallbeschreibungen gibt), was bei anderen Infektionen (z.B. Bartonellen oder Mycoplasmen) anders aussieht.
Chronische Borreliose hingegen ist ein Begriff, der von ILADS geprägt wird und nicht nur für die erwähnten Spätmanfestationen steht, sondern auch (oder vor allem) für "unspezifische Beschwerden", die sich auch von längeren und wiederholten Antibiosen nicht unbedingt beeindrucken lassen und bei denen nicht zwangsweise Borrelienantikörper vorhanden sein müssen. Die offizielle Seite ist der Meinung, dass das überwiegend Fehldiagnosen sind.
Diese Gruppe grenzt Kim Lewis in seiner Studie auch ab, wie ich bereits erwähnt habe.
Chronische Borreliose wird von der Schulmedizin nicht mit Spätborreliose gleichgesetzt (zumindest in den USA - in Europa ist es etwas anders und einige verwenden auch chronische Borreliose synonym zu Spätborreliose, da gibt's heftige Diskussionen.)
Aber nicht nur bei der offiziellen, auch bei der anderen Seite haben einige Interessenskonflikte (Wieviel wird denn damit verdient?) oder einen zweifelhaften Hintergrund.
Zudem gibt's auch hier keine Standards... geh zu 10 "Spezis" und du wirst 10 Meinungen oder Therapieempfehlungen haben. Einige davon sind sicher nicht verkehrt, andere jedoch mehr als fraglich (z.B. Samento und Banderol statt AB bei früher Borreliose, pauschaler Verzicht auf Doxy und Ceftriaxon...).
Der jeweiligen Gegenseite nun pauschal mangelnde Integrität vorzuwerfen (wie es von beiden Seiten seit Jahren gemacht wird), ist wenig zielführend und bringt niemand weiter.
Rein von der Studienlage ist ILADS in der Bringschuld... Denn es ist auch ein Streit Wissenschaft gegen Praxis und den kann man nur gemeinsam beilegen. Beide Seiten haben einige gute Argumente und bei beiden Positionen finden sich ausreichend ungeklärte Fragen, die sich vielleicht durch weitere Forschung beantworten lassen.
ILADS hat wissenschaftlich bislang wenig Brauchbares hervorgebracht und häufig fehlt es auch an wissenschaftlicher Expertise und das Einordnen von Forschungsergebnissen ist teils auch ziemlich fraglich.
Diese Studien sind ein guter Anfang, um eine Brücke zu bauen und sich den Patienten zu widmen.
Es gibt mehr Fragen als Antworten und was vor allem bei Borreliose fehlt, ist eine gesunde Mitte, die zwischen den Lagern vermitteln kann. Zumindest meiner Meinung nach, einige andere teilen meine Einschätzung nicht...