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Forschung zu Borrelien-Persistern und Therapie chronischer Borreliose
#81

Hast du den Volltext gelesen? Mich würde interessieren, wie sie den Therapieerfolg kontrolliert haben. In anderen Studien war doch das Problem, dass man generell keine lebenden Borrelien anzüchten hat können.
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#82

Zitat:Die Untersuchung der Wirkung von Antibiotika bei immungeschwächten Mäusen zeigte, dass Doxycyclin, der Behandlungsstandard für unkomplizierte Borreliose in der Frühphase, den Erreger nicht eliminierte.
In Anbetracht dessen, dass das Immunsystem im Frühstadium eher träge auf Borrelien reagiert, muss der Patient vermutlich nicht mal immungeschwächt sein, damit die Therapie im Frühstadium mit einem bakteriostatisch dosierten AB (Doxy 200 mg/d) versagt. Dass Doxy in dieser Dosierung immer noch Therapie 1. Wahl sein soll, zeigt wie wenig man die Borreliose ernst nimmt.

LG, Regi

Je mehr ich über die Borreliose weiss, desto mehr weiss ich, dass man fast gar nichts weiss.

Nichts auf der Welt ist gefährlicher als aufrichtige Ignoranz und gewissenhafte Dummheit. (Martin Luther King)

Absenz von Evidenz bedeutet nicht Evidenz für Absenz
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Thanks given by: hanni , Extremcouching , Claire , biblio
#83

Immerhin funktionierte es anscheinend bei Mäusen, da wirds spannend, wie es beim Menschen ausschaut. Die Kontrollmethode wäre wirklich interessant

Mit Gemifloxacin kommt ein Fluorchinolon ins Spiel. Da ist für die Anwendungsforschung noch viel Luft nach oben.

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Lass das Verhalten anderer nicht deinen inneren Frieden stören (Dalai Lama)
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#84

(23.08.2018, 06:42)urmel57 schrieb:  Immerhin funktionierte es anscheinend bei Mäusen,
Wahrscheinlich bei frisch Infizierten. Nach dem Modell müsste Ceftriaxon ja super sein, ggfs. in gepulster Dosierung. Die Praxis hat aber gezeigt, dass es das nicht ist.
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#85

(23.08.2018, 09:00)Markus schrieb:  Wahrscheinlich bei frisch Infizierten. Nach dem Modell müsste Ceftriaxon ja super sein, ggfs. in gepulster Dosierung. Die Praxis hat aber gezeigt, dass es das nicht ist.

Ja, leider zeigt bei einer frischen sicheren Neuroborreliose die Behandlung mit Doxycyclin ein ähnliches Ergebnis wie mit Ceftriaxon. Es bleiben dazu jetzt auch Fragen offen, ob in USA überhaupt mit Stämmen gearbeitet wird, wie sie in Europa vorkommen.

Dass Ceftriaxon durchaus auch in späteren Stadien hilfreich ist, belegt eigentlich trotzdem die europäische Langzeitstudie, die mit 14 Tagen Ceftriaxon initial schon Erfolge verbucht hatte. Nur war das dummerweise nicht Studienziel und man blickt nur auf die Verlängerung mit oralen Antibiotika, die dann statistisch keinen Vorteil mehr brachte.

Mir ist jetzt keine Untersuchung außer dieser bekannt, wo diese Erkenntnis einer widerholten Ceftriaxonbehandlung in der Praxis systematisch untersucht und analysiert worden wäre. Die Behandlung mit Ceftriaxon ist umständlich und teuer, kein Kassenarzt wird das ohne eindeutige abgesicherte Empfehlungen tun, was ich als das eigentliche Problem sehe, denn solche Behandlungen werden viel zu selten überhaupt angeboten. Ob nun aus Furcht vor Regress, Furcht vor Nebenwirkungen, die ja lautstark probagiert werden oder Furcht vor der eigenen Courage, den Kollegen gegenüber, sei dahingestellt.

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Thanks given by: Extremcouching , Regi , FreeNine , biblio , Claire , Zotti
#86

Zitat:Hast du den Volltext gelesen? Mich würde interessieren, wie sie den Therapieerfolg kontrolliert haben. In anderen Studien war doch das Problem, dass man generell keine lebenden Borrelien anzüchten hat können.
Nein, noch nicht. Ich hab keinen freien Zugang und möchte nicht unbedingt gleich Geld dafür ausgeben.

Im Unterschied zu anderen Studien waren die Mäuse hier immungeschwächt, daher ist es durchaus denkbar, dass bei Doxy was gefunden wurde.
Wobei jetzt Vancomycin nicht unbedingt was Neues ist, bereits vor 20 Jahren hat man eine in vitro Wirksamkeit festgestellt (Studien von Barbour und Hunfeld).

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Thanks given by: Regi , biblio
#87

Ich habe die Studie hier und kann sie ja mal bei Gelegenheit einscannen. Es gab auch eine Gruppe mit "immunkompetenten" Mäusen, da war Doxy dann aber auch wirksam. Trotzdem bleiben bei mir eine Menge Fragen offen.

Kurze Zusammenfassung der Mausstudie, die in vitro Sachen lasse ich mal weg:

Es gab sowohl eine Gruppe mit immunkompetenten (Wildtyp) als auch SCID (severe combined immunodeficiency = T- und B-Zell-Defizienz) Mäusen. Beide wurden durch subcutane Einspritzung infiziert und nach 3 Wochen wurde behandelt über 5 Tage, entweder NaCl, Ceftriaxon oder Vancomycin (beides iv) oder Doxy oral. Die Dosen waren wohl über eine Modellrechnung an den Menschen angepasst (entsprechend 2 x 100 mg Doxy und 2 x 1 g Ceftriaxon/d).

Nach der Behandlungszeit wurde jeweils aus dem Ohr eine Kultur angelegt und aus Blasengewebe eine PCR. Unter NaCl-"Behandlung" war bei allen Mäusen nach Therapie die Kultur positiv und auch die PCR. Bei allen immunkompetenten Mäusen war nach Behandlung mit Cef, Van oder Doxy sowohl die Kultur als auch PCR negativ, lediglich in der SCID-Gruppe waren nach Doxy 4/6 Kulturen positiv und in 5/6 die PCR, allerdings gut Faktor 100 weniger Kopien als unter NaCl. Die SCID-Mäuse unter Vanco und Cef waren auch sämtlich negativ.

Es gab dann noch eine weitere Untersuchung mit Cef und Vanco, aber da habe ich jetzt keine Lust das zusammenzutragen. Es war aber so, dass sowohl Cef als auch Vanco gut wirksam waren und Vanco auch nicht statistisch signifikant besser wirksam war als Cef.
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Thanks given by: Valtuille , urmel57 , Zotti , Regi , biblio , borrärger
#88

Nur mal so ein Gedanke, von mir.
Grundlagenforschung ist wichtig. Ich bin auch nicht generell gegen Tierversuche, aber.
Wie ich die letzten Beiträge verstanden habe. Es wird jetzt nicht nur die Wirksamkeit eines Wirkstoffes Maus - Mensch gegenübergestellt.
Sondern ein geschwächtes Immunsystem einer Maus wird mit dem Immunsystem eines Menschen in Zusammenhang gebracht.
Ohne mich.
https://www.aerzte-gegen-tierversuche.de...h-und-maus
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Thanks given by: borrärger , irisbeate
#89

Fischera, in einer ähnlichen Diskussion mit namhaften Professoren heißt es schlichtweg: "Ein Mensch ist keine Maus..."

Experimente mit Affen jedoch werden noch teurer und erfreuen sich bei Tierschützern noch weniger Beliebtheit, da sie hinterher auch getötet werden müssen. Nun ja bei Menschen ist das schon gar nicht zu machen.

Was mich an der ganzen Behandlungsdiskussion am meisten stört, ist dass es nur sehr wenige aussagekräftige Behandlungsstudien am Menschen gibt, die Doxycyclin mit Ceftriaxon vergleichen - diese suggerieren selbst bei schwerster Neuroborreliose ein ähnliches Behandlungsergebnis, mit der Folge, dass man grundsätzlich das wirtschaftlichere Medikament, nämlich Doxycyclin verwendet. Nur darum geht es in der Praxis. Ob der Patient das dann überhaupt schlucken kann und verträgt, ist bei so manchem Krankenhaus/ Arzt dann manchmal zweitrangig, da hat sich auch so manch einer bei der Gegenüberstellung und Empfehlung keine Gedanken gemacht.

Ehrlich gesagt, mit dem Ergebnis dieses Mausexperimentes finde ich es fahrlässig, den Patienten Ceftriaxon zumindest als Zweitbehandlung zu verweigern, wenn sich Beschwerden nicht ausreichend zurückbilden, zumal es immer wieder Berichte von Patienten gibt, die erst mit dieser Ceftriaxon-Behandlung so was wie einen Durchbruch erleben konnten.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass am Ende der Studie ein Abschnitt steht, dass weitere Forschung zu Immunsystem des Menschen etc. folgen müsse.... Wichtig ist doch überhaupt, dass man sich über die Pathogenese Gedanken macht - die Hypothese könnte lauten: Es ist anscheinend ein intaktes Immunsystem erforderlich, um restlos zu genesen, was bei langer Erkrankung möglicherweise nicht gegeben ist, aber man die Chance mit Ceftriaxon oder Vancomycin nützen könnte, das Problem abzumildern - in der Frühphase und erst recht in der Spätphase.

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Thanks given by: FreeNine , Zotti , biblio , hanni , micci , borrärger , Regi
#90

Ein freundlicher Mensch hat mir die Studie im Ganzen zum Lesen gegeben. Danke dafür Cool Ich fasse das mal mit meinem Verständnis zusammen:

Was man vermutet und diese Hypothese wurde aufgestellt, dass es einige Risikofaktoren gibt, die dafür sorgen, dass die einfache Behandlung mit Doxycyclin versagen kann. Patienten, die bestimmte Immunbesonderheiten(Immundefizite) aufweisen, haben dann mit Doxycyclin weniger Chance, in der Frühphase erfolgreich behandelt zu werden und ein PTLDS zu entwickeln, was auf weiter antibiotische Behandlung unzureichend anspricht.

Einige Marker werden angesprochen, die zum erhöhten Auftreten eines PTLDS führen könnten. Gute Tests, die diese Risikogruppe im Voraus benennen könnte, gibt es bislang nicht.:

- angeborene Erhöhung für Entzündungsfaktoren CRP
- Polymorphismen in TLR1 - Rezeptorenbereich (Insbesondere bei der Lyme-Arthritis)
- Auftreten von T-Cell Chemokin CCL19
- erhöhte Immunantwort auf VlsE-Antigene

Eine Hypothese: Patienten mit diesen Risikofaktoren einer Immunsuppression könnten möglicherweise von einer aggressiveren Erst-Therapie mit Ceftriaxon oder Vancomycin gegenüber eine Doxycyclinbehandlung profitieren.

(Anmerkung: Ob das nun mit dem Mausmodell im Einklang steht, lässt sich nicht leicht beurteilen, SCID Mäuse verfügen über gar keine Körperabwehr durch T oder B-Zellen, sie werden aber in vielen Bereichen bereits erfolgreich verwendet, um Pathomechanismen bei Menschen z.B. beim Denguevirus oder Malaria zu beschreiben, indem man ihnen ein Immunsystem z.B. des Menschen aufdrückt. Die Tiere wurden in der vorliegenden Studie spezifiziert und auch der Borrelienstamm. Bei den Borrelien handelt es sich um den bekannten Kulturstamm B.burgdorferi B31, der auch schon bei den Testsystemen hohe Wellen schlug, denn er unterscheidet sich von den übrigen rund hundert Wildformen, insbesondere, wie sie auch in Europa vorkommen. Testsysteme, die auf diesen Typ abgestimmt waren versagten in hoher Prozentzahl und es kam jahrelang auf Grund dieser fehlerbehafteten Tests insbesondere in den USA zu Fehldiagnosen.. Seronegativität und ihre Gründe )

Möglicherweise will man nun diese immunauffälligen Patienten in einer klinischen Studie zusammenfassen. Das Problem besteht wohl aber jetzt zunächst darin, eine weitere klinische Studie genehmigt zu bekommen, was ohne Tests, die diese Präselektion ermöglichen, wohl nur schwer sein dürfte ....

Wichtig wäre es dann nämlich, dass man Ceftriaxon oder Vancomycin, die als risikoreicher als Doxycyclin betrachtet werden, schon als erste Behandlung verwendet, da weitere Behandlung mit Ceftriaxon gegenüber Placebo, wenn es erst zum PTLDS gekommen ist, nicht als Vorteil herausgestellt werden konnte.

Bleibt auf jeden Fall ein spannendes Thema und es tut sich überhaupt was in dieser Ecke der Welt.

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Thanks given by: biblio , Zotti , borrärger , Regi


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