20.05.2019, 07:09
Mai ist Lyme Disease Awareness Monat. Lyme Disease ist im deutschsprachigen Raum bekannt unter Borreliose. Borreliose wird von Zecken übertragen. Fiasko-Blog Tag 20.
Gestern habe ich nichts zum Borreliose-Fiasko geschrieben. Es fiel mir einfach kein Thema ein und die graue Tapete vor dem Fenster ist auch nicht gerade motivierend. Ich kämpfe schon bei eitel Sonnenschein mit dieser abartigen Abgeschlagenheit und Lustlosigkeit, ohne einen Schimmer zu haben, ob das nun hirnorganisch, somatopsychisch oder psychosomatisch ist. Vielleicht ein bisschen von allem, jedenfalls oft nicht überwindbar.
Gestern schrieb mir jemand eine private Nachricht im Forum. Es sei unmöglich, in der Schweiz einen Arzt zu finden, der "seriös" mit Antibiotika behandle. Das löste bei mir gleich ein mulmiges Gefühl aus. Wir wissen aufgrund der miesen Forschungslage bei Diagnose und Therapie nicht, was "seriös" in der Borreliosebehandlung ist. Und vor allem: Es gibt keine Standardlösung. Es sind alles nur Therapieversuche, wenn eine Borreliose sich nicht ans Schulbuch hält.
Wenn es hierzulande keine Spezis gibt, die nach Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft oder ILADS behandeln, bleibt mir nur der Hausarzt. Fehler Nummer 1 wäre, die alternativen Leitlinien als neue wissenschaftliche Erkenntnisse und geltender Standard darzustellen. Hier gelten allgemein die uralten Leitlinien der Schweizer Infektiologen (geltende Lehrmeinung) aus dem Jahre 2005. Fehler Nummer 2 wäre, den Eindruck zu erwecken, man wolle den Arzt belehren.
Ich selbst bin vor 15 Jahren glücklicherweise noch bei einem Spezi untergekommen, der nach ILADS-Leitlinien behandelt, wenn sich die Borreliose nicht an geltende Lehrmeinung hält. Ich kann mich aber noch genau erinnern, wie das lief, bevor ich beim Spezi landete. Ich war schon im Internet in Kontakt mit anderen Betroffenen. Aber mein Wissen war noch nicht so umfangreich wie heute. Traute ich mich, zu argumentieren, wurde es vom Hausarzt abgetan. Bei Spezialärzten wurden mir auch so komische Sachen aufgetischt, um mich mundtot zu machen, wenn es um Borreliose ging. Ein Teil bestimmter Untersuchungen wurde verweigert oder versprochen und doch nicht durchgeführt. Ich weiss nicht, ob sie es nicht besser wussten oder ob andere Absichten dahinter steckten. Wenn ich dann nach Hause ging, um die Aussagen der Ärzte zu recherchieren, musste ich oft feststellen, dass die Antworten falsch oder nicht nachvollziehbar waren. So fühlte ich mich zunehmend doof, wertlos, gedemütigt und misshandelt durch das Nicht-Handeln. So nebenbei hatte ich noch eine schwere Krankheit zu ertragen.
Mein Verlauf war schleichend. Acht Jahre nach Beginn der Krankheit stand ich eines morgens in der Dusche und meine Beine liessen nach einer Minute vor Schwäche nach, sodass ich nicht mehr länger stehen konnte. Die zwei Jahre davor stand ich immer mehr vor der Entscheidung, ob ich morgens vor der Arbeit Duschen, Haare waschen oder Zähne putzen soll. Für alles reichte die Kraft einfach nicht. Auf der Arbeit wurde ich zunehmend reizbar und ich habe nur noch gearbeitet und geschlafen. Soziale Kontakte und Hobbys waren nicht mehr möglich. Im Urlaub schlief ich um die 18 Stunden pro Tag. Als mich meine Beine nicht mehr tragen wollten, ging ich zum Arzt und sagte, dass ich jetzt einfach nicht mehr könne und er mich bitte krankschreiben soll. Es folgten 15 einsame Monate der Hilflosigkeit und Ohnmacht, hauptsächlich im Bett. Kein Arzt konnte oder wollte mir helfen, bis ich beim Spezi landete. Endlich wurde eine Hautprobe von der Hautveränderung untersucht. Darin konnten dann Borrelien mittels DNA-Test direkt nachgewiesen werden und die Beschaffenheit der Haut zeigte Befunde, die mit der Hautveränderung des Stadiums 3 vereinbar waren. Es folgten lange und agressive Antibiotikatherapien, die meinen Zustand von bettlägerig zur Fähigkeit einer halbwegs vernünftigen Selbstversorung besserten. Darauf absolvierte ich eine berufliche Leistungsabklärung durch die Rentenversicherung worauf die Berentung folgte.
Da Borreliose nach eidg. Versicherungsgericht als Unfall gilt, hat mich die Unfallversicherung zum Gutachter geschickt. Dieser verneinte trotz belastender Befunde die Borreliose auf ganzer Ebene. Unter anderem schrieb er, dass der positive DNA-Nachweis aus der Haut falsch positiv sei. Obwohl der Test (PCR) 99 % spezifisch ist (nur 1 % falsch positive Ergebnisse), musste er das nicht begründen, damit die UV das glaubte. Das Gutachten wurde an die Rentenversicherung weitergeleitet, die darauf hin sofort eine Rentenüberprüfung einleitete. Der IV-Gutachter verneinte eine Borreliose natürlich auch. Sie sind ja dafür bezahlt, Renten abzuschmettern, statt fachliche und sachliche Gutachten zu erstellen. Jedenfalls war die Argumentation im Gutachten gegen die Diagnose Borreliose so dilletantisch, dass ich das Gegengutachten gleich selbst schrieb. Mein Anwalt erledigte das Juristische und das Gericht gab mir Recht. Darauf ordnete die Rentenversicherung gleich ein neues Gutachten an. Dort wurde die Diagnose dann wieder anerkannt, jedoch eine 50 %-ige Arbeitfähigkeit postuliert, obwohl die berufliche Leistungsabklärung damals bereits eine Arbeitsfähigkeit von nur max. 30 % auf dem offenen Arbeitsmarkt ergab. Schlussendlich hat die IV dann doch eingelenkt und wenigstens meine Existenz war gesichert.
Betroffene haben also nicht nur eine fiese Krankheit zu ertragen, sie stossen auch bei Ärzten mangels Forschung auf Unverständnis und Versicherungen haben ein leichtes Spiel, Ansprüche abzuschmettern, wenn der Betroffene die Borreliose, respektive den daraus resultierenden chronischen Verlauf nicht beweisen kann - und das können die Wenigsten.
Wo ist das Problem? Betroffene haben einen Haufen davon. Experten halten sie sich mit nicht belastbaren Behauptungen vom Hals. Warum?
Gestern habe ich nichts zum Borreliose-Fiasko geschrieben. Es fiel mir einfach kein Thema ein und die graue Tapete vor dem Fenster ist auch nicht gerade motivierend. Ich kämpfe schon bei eitel Sonnenschein mit dieser abartigen Abgeschlagenheit und Lustlosigkeit, ohne einen Schimmer zu haben, ob das nun hirnorganisch, somatopsychisch oder psychosomatisch ist. Vielleicht ein bisschen von allem, jedenfalls oft nicht überwindbar.
Gestern schrieb mir jemand eine private Nachricht im Forum. Es sei unmöglich, in der Schweiz einen Arzt zu finden, der "seriös" mit Antibiotika behandle. Das löste bei mir gleich ein mulmiges Gefühl aus. Wir wissen aufgrund der miesen Forschungslage bei Diagnose und Therapie nicht, was "seriös" in der Borreliosebehandlung ist. Und vor allem: Es gibt keine Standardlösung. Es sind alles nur Therapieversuche, wenn eine Borreliose sich nicht ans Schulbuch hält.
Wenn es hierzulande keine Spezis gibt, die nach Leitlinien der Deutschen Borreliose Gesellschaft oder ILADS behandeln, bleibt mir nur der Hausarzt. Fehler Nummer 1 wäre, die alternativen Leitlinien als neue wissenschaftliche Erkenntnisse und geltender Standard darzustellen. Hier gelten allgemein die uralten Leitlinien der Schweizer Infektiologen (geltende Lehrmeinung) aus dem Jahre 2005. Fehler Nummer 2 wäre, den Eindruck zu erwecken, man wolle den Arzt belehren.
Ich selbst bin vor 15 Jahren glücklicherweise noch bei einem Spezi untergekommen, der nach ILADS-Leitlinien behandelt, wenn sich die Borreliose nicht an geltende Lehrmeinung hält. Ich kann mich aber noch genau erinnern, wie das lief, bevor ich beim Spezi landete. Ich war schon im Internet in Kontakt mit anderen Betroffenen. Aber mein Wissen war noch nicht so umfangreich wie heute. Traute ich mich, zu argumentieren, wurde es vom Hausarzt abgetan. Bei Spezialärzten wurden mir auch so komische Sachen aufgetischt, um mich mundtot zu machen, wenn es um Borreliose ging. Ein Teil bestimmter Untersuchungen wurde verweigert oder versprochen und doch nicht durchgeführt. Ich weiss nicht, ob sie es nicht besser wussten oder ob andere Absichten dahinter steckten. Wenn ich dann nach Hause ging, um die Aussagen der Ärzte zu recherchieren, musste ich oft feststellen, dass die Antworten falsch oder nicht nachvollziehbar waren. So fühlte ich mich zunehmend doof, wertlos, gedemütigt und misshandelt durch das Nicht-Handeln. So nebenbei hatte ich noch eine schwere Krankheit zu ertragen.
Mein Verlauf war schleichend. Acht Jahre nach Beginn der Krankheit stand ich eines morgens in der Dusche und meine Beine liessen nach einer Minute vor Schwäche nach, sodass ich nicht mehr länger stehen konnte. Die zwei Jahre davor stand ich immer mehr vor der Entscheidung, ob ich morgens vor der Arbeit Duschen, Haare waschen oder Zähne putzen soll. Für alles reichte die Kraft einfach nicht. Auf der Arbeit wurde ich zunehmend reizbar und ich habe nur noch gearbeitet und geschlafen. Soziale Kontakte und Hobbys waren nicht mehr möglich. Im Urlaub schlief ich um die 18 Stunden pro Tag. Als mich meine Beine nicht mehr tragen wollten, ging ich zum Arzt und sagte, dass ich jetzt einfach nicht mehr könne und er mich bitte krankschreiben soll. Es folgten 15 einsame Monate der Hilflosigkeit und Ohnmacht, hauptsächlich im Bett. Kein Arzt konnte oder wollte mir helfen, bis ich beim Spezi landete. Endlich wurde eine Hautprobe von der Hautveränderung untersucht. Darin konnten dann Borrelien mittels DNA-Test direkt nachgewiesen werden und die Beschaffenheit der Haut zeigte Befunde, die mit der Hautveränderung des Stadiums 3 vereinbar waren. Es folgten lange und agressive Antibiotikatherapien, die meinen Zustand von bettlägerig zur Fähigkeit einer halbwegs vernünftigen Selbstversorung besserten. Darauf absolvierte ich eine berufliche Leistungsabklärung durch die Rentenversicherung worauf die Berentung folgte.
Da Borreliose nach eidg. Versicherungsgericht als Unfall gilt, hat mich die Unfallversicherung zum Gutachter geschickt. Dieser verneinte trotz belastender Befunde die Borreliose auf ganzer Ebene. Unter anderem schrieb er, dass der positive DNA-Nachweis aus der Haut falsch positiv sei. Obwohl der Test (PCR) 99 % spezifisch ist (nur 1 % falsch positive Ergebnisse), musste er das nicht begründen, damit die UV das glaubte. Das Gutachten wurde an die Rentenversicherung weitergeleitet, die darauf hin sofort eine Rentenüberprüfung einleitete. Der IV-Gutachter verneinte eine Borreliose natürlich auch. Sie sind ja dafür bezahlt, Renten abzuschmettern, statt fachliche und sachliche Gutachten zu erstellen. Jedenfalls war die Argumentation im Gutachten gegen die Diagnose Borreliose so dilletantisch, dass ich das Gegengutachten gleich selbst schrieb. Mein Anwalt erledigte das Juristische und das Gericht gab mir Recht. Darauf ordnete die Rentenversicherung gleich ein neues Gutachten an. Dort wurde die Diagnose dann wieder anerkannt, jedoch eine 50 %-ige Arbeitfähigkeit postuliert, obwohl die berufliche Leistungsabklärung damals bereits eine Arbeitsfähigkeit von nur max. 30 % auf dem offenen Arbeitsmarkt ergab. Schlussendlich hat die IV dann doch eingelenkt und wenigstens meine Existenz war gesichert.
Betroffene haben also nicht nur eine fiese Krankheit zu ertragen, sie stossen auch bei Ärzten mangels Forschung auf Unverständnis und Versicherungen haben ein leichtes Spiel, Ansprüche abzuschmettern, wenn der Betroffene die Borreliose, respektive den daraus resultierenden chronischen Verlauf nicht beweisen kann - und das können die Wenigsten.
Wo ist das Problem? Betroffene haben einen Haufen davon. Experten halten sie sich mit nicht belastbaren Behauptungen vom Hals. Warum?
Je mehr ich über die Borreliose weiss, desto mehr weiss ich, dass man fast gar nichts weiss.
Nichts auf der Welt ist gefährlicher als aufrichtige Ignoranz und gewissenhafte Dummheit. (Martin Luther King)
Absenz von Evidenz bedeutet nicht Evidenz für Absenz