28.03.2013, 18:05
Hallo
Ich hatte zum Thema "Film Dr. Hünerfeld" einige Zeilen an den SWR geschickt. Dies ist die Antwort darauf:
Haben Sie Dank für Ihre Zuschrift zu unserem Film ?Der Zecken-Krieg?, die
vom NDR an mich als zuständigem Redakteur weiter geleitet wurde. Der Film
war, wie Sie vielleicht wissen, eine Wiederholung aus dem vergangenen Jahr,
und wie damals haben uns auch jetzt wieder viele Zuschriften erreicht. Ü
brigens nicht nur kritische, sondern auch zahlreiche zustimmende, die sich
dafür bedanken, dass hier bestehende Probleme beim Namen genannt und auf
den Punkt gebracht wurden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich die
kritischen Schreiben hiermit gesammelt beantworte, da sich die Argumente
jeweils wiederholen bzw. gleichen. Sie werden daher in dieser Mail auch
Antworten auf ihre Fragen finden.
Gestatten Sie mir zunächst eine grundsätzliche Bemerkung: An keiner Stelle
des Films wird bezweifelt, dass die Patienten, die glauben, an einer
chronischen Borreliose zu leiden, tatsächlich ernstlich krank sind. Dies
wird mehrfach zum Ausdruck gebracht, im Sprechertext und auch von den
befragten Ärzten. Aufgrund unserer Recherchen und auf Basis der
vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse kommt der Film allerdings zu
dem Schluss, dass es in aller Regel nicht eine chronische Borreliose ist,
die diese Beschwerden verursacht. Vielmehr leiden die meisten Patienten
entweder unter den Folgen einer durchgemachten Borreliose oder unter
anderen, meist unspezifischen Beschwerden, die ihre Ursache aber nicht in
einer Infektion mit Borrelien haben - zumindest keiner, die mit
wissenschaftlich anerkannten Verfahren nachweisbar wäre. Eine monatelange
Antibiotika-Therapie ist in keinem der beiden Fälle angemessen, zumal solch
extreme Therapien zu weiteren, oft schwerwiegenden Gesundheitsproblemen
führen können.
Im Film wird auch keineswegs in Frage gestellt, dass die Borreliose eine
schwere Krankheit sein kann, wenn man sie nicht rechtzeitig erkennt.
Bezweifelt wird dagegen, dass es die propagierte ?chronische Borreliose?
gibt, bei der sich Borrelien im Körper beispielsweise derart ?verstecken?,
dass sie nicht mit wissenschaftlich anerkannten Verfahren nachweisbar sind,
trotzdem aber eine extreme Vielzahl von Symptomen hervorrufen.
Wissenschaftlich anerkannte Belege dieser Thesen haben wir bei der
Vorbereitung des Films nicht gefunden.
Viele von Ihnen schildern eine jahrzehntelange Krankengeschichte, bei denen
wir aus der Ferne natürlich nicht beurteilen können, ob es sich um
Spätfolgen einer Borreliose-Infektion handelt. Um es aber nochmals zu
betonen: Selbst wenn es sich tatsächlich um ein ?Post-Lyme-Syndrom?
handelt, ist die monatelange Behandlung mit Antibiotika, wie sie im Film
kritisiert wurde, mit Sicherheit nicht die richtig Therapie, da die
Bakterien ja bereits Schäden im Körper verursacht haben, die sich nicht mit
Antibiotika heilen lassen.
Noch ein Wort zu dem häufig vorgebrachten Vorwurf, der Film habe nicht
ausgewogen berichtet. Aufgabe einer journalistischen Dokumentation ist es
nicht, alle erdenklichen Meinungen additiv nebeneinander zu stellen. Zu
Recht erwartet der Zuschauer eine Einordnung und Bewertung von Fakten und
Meinungen nach nachvollziehbaren Kriterien. Dies hat der Film geleistet.
Tatsächlich hatte er also eine Haltung - wie alle journalistischen Produkte
mit Ausnahme reiner Meldungen - eine Haltung, die auf Grund monatelanger
Recherchen entwickelt worden ist.
Wenn wir die leider weit verbreiteten und mit viel Leid verbunden
Behandlungsmethoden hinterfragen, fühlen wir uns unserem journalistischen
Auftrag verpflichtet, damit weiteren Patienten solches Leid erspart wird
und angemessenen Therapien für die bei ihnen ohne Zweifel bestehenden
Erkrankungen eine Chance gegeben wird.
In vielen Zuschriften wurden uns auch vermeintliche Studien genannt, die
die Thesen der ?Borrelianer? stützen. Ohne detailliert darauf eingehen zu
können, sei darauf hingewiesen, dass "Studien" nicht gleich "Studien" sind.
Viele dieser Arbeiten haben große methodische Schwächen, wodurch ihre
Ergebnisse von vornherein mehr oder minder wertlos sind. Häufig werden
keine anerkannten und wissenschaftlich nachvollziehbaren Ein- und
Ausschlusskriterien verwendet oder es handelt sich nur um Laborversuche in
Kultur oder in Versuchstieren, deren Ergebnisse nicht einfach auf den
Menschen übertragen werden können. In einigen Fällen gibt es in der Tat
erstaunliche Ergebnisse. Wenn es sich dabei aber eben nur um Einzelfälle
bzw. Raritäten und keine reproduzierbaren Gesetzmäßigkeiten handelt, die
für die Klinik zudem nicht von Bedeutung sind, ist ihre wissenschaftliche
Bedeutung zur Recht zu hinterfragen. Dass es noch großen Forschungsbedarf
gibt, gerade was die Nachweistests für Borreliose angeht, wurde keineswegs
bezweifelt.
Wie erwähnt, hatte es auch schon bei der Erstausstrahlung des Films vor
einem Jahr eine intensive Diskussion um den Film gegeben, die auch den
Fernsehausschuss des SWR-Rundfunkrates beschäftigt hat. In seiner Sitzung
am 27. September 2012 hat er die seinerzeit eingegangenen
Programmbeschwerden eingehend und intensiv beraten. Er ist zu dem
abschließenden Schluss gekommen, dass alle Vorwürfe gegen den Film
unberechtigt und unzutreffend sind. Der Beitrag entspricht den im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk geltenden journalistischen Maßstäben und
verletzt keine Programmgrundsätze des SWR.
Bitte haben Sie vor diesem Hintergrund Verständnis dafür, dass wir auf
etwaige weitere Schreiben von Ihnen zu diesem Thema nicht reagieren
werden.
Im Sinne aller vermeintlichen und echten Borreliosepatienten hoffe ich,
dass die wissenschaftliche Evidenz bald zu von allen Seiten akzeptierten
Behandlungsrichtlinien führt.
Herzlichen Dank noch mal für Ihr ausführliches Schreiben und freundliche
Grüße
Martin Schneider
SWR Fernsehen Wissenschaft
76522 Baden-Baden
Gruß an alle
Andi2
Ich hatte zum Thema "Film Dr. Hünerfeld" einige Zeilen an den SWR geschickt. Dies ist die Antwort darauf:
Haben Sie Dank für Ihre Zuschrift zu unserem Film ?Der Zecken-Krieg?, die
vom NDR an mich als zuständigem Redakteur weiter geleitet wurde. Der Film
war, wie Sie vielleicht wissen, eine Wiederholung aus dem vergangenen Jahr,
und wie damals haben uns auch jetzt wieder viele Zuschriften erreicht. Ü
brigens nicht nur kritische, sondern auch zahlreiche zustimmende, die sich
dafür bedanken, dass hier bestehende Probleme beim Namen genannt und auf
den Punkt gebracht wurden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich die
kritischen Schreiben hiermit gesammelt beantworte, da sich die Argumente
jeweils wiederholen bzw. gleichen. Sie werden daher in dieser Mail auch
Antworten auf ihre Fragen finden.
Gestatten Sie mir zunächst eine grundsätzliche Bemerkung: An keiner Stelle
des Films wird bezweifelt, dass die Patienten, die glauben, an einer
chronischen Borreliose zu leiden, tatsächlich ernstlich krank sind. Dies
wird mehrfach zum Ausdruck gebracht, im Sprechertext und auch von den
befragten Ärzten. Aufgrund unserer Recherchen und auf Basis der
vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse kommt der Film allerdings zu
dem Schluss, dass es in aller Regel nicht eine chronische Borreliose ist,
die diese Beschwerden verursacht. Vielmehr leiden die meisten Patienten
entweder unter den Folgen einer durchgemachten Borreliose oder unter
anderen, meist unspezifischen Beschwerden, die ihre Ursache aber nicht in
einer Infektion mit Borrelien haben - zumindest keiner, die mit
wissenschaftlich anerkannten Verfahren nachweisbar wäre. Eine monatelange
Antibiotika-Therapie ist in keinem der beiden Fälle angemessen, zumal solch
extreme Therapien zu weiteren, oft schwerwiegenden Gesundheitsproblemen
führen können.
Im Film wird auch keineswegs in Frage gestellt, dass die Borreliose eine
schwere Krankheit sein kann, wenn man sie nicht rechtzeitig erkennt.
Bezweifelt wird dagegen, dass es die propagierte ?chronische Borreliose?
gibt, bei der sich Borrelien im Körper beispielsweise derart ?verstecken?,
dass sie nicht mit wissenschaftlich anerkannten Verfahren nachweisbar sind,
trotzdem aber eine extreme Vielzahl von Symptomen hervorrufen.
Wissenschaftlich anerkannte Belege dieser Thesen haben wir bei der
Vorbereitung des Films nicht gefunden.
Viele von Ihnen schildern eine jahrzehntelange Krankengeschichte, bei denen
wir aus der Ferne natürlich nicht beurteilen können, ob es sich um
Spätfolgen einer Borreliose-Infektion handelt. Um es aber nochmals zu
betonen: Selbst wenn es sich tatsächlich um ein ?Post-Lyme-Syndrom?
handelt, ist die monatelange Behandlung mit Antibiotika, wie sie im Film
kritisiert wurde, mit Sicherheit nicht die richtig Therapie, da die
Bakterien ja bereits Schäden im Körper verursacht haben, die sich nicht mit
Antibiotika heilen lassen.
Noch ein Wort zu dem häufig vorgebrachten Vorwurf, der Film habe nicht
ausgewogen berichtet. Aufgabe einer journalistischen Dokumentation ist es
nicht, alle erdenklichen Meinungen additiv nebeneinander zu stellen. Zu
Recht erwartet der Zuschauer eine Einordnung und Bewertung von Fakten und
Meinungen nach nachvollziehbaren Kriterien. Dies hat der Film geleistet.
Tatsächlich hatte er also eine Haltung - wie alle journalistischen Produkte
mit Ausnahme reiner Meldungen - eine Haltung, die auf Grund monatelanger
Recherchen entwickelt worden ist.
Wenn wir die leider weit verbreiteten und mit viel Leid verbunden
Behandlungsmethoden hinterfragen, fühlen wir uns unserem journalistischen
Auftrag verpflichtet, damit weiteren Patienten solches Leid erspart wird
und angemessenen Therapien für die bei ihnen ohne Zweifel bestehenden
Erkrankungen eine Chance gegeben wird.
In vielen Zuschriften wurden uns auch vermeintliche Studien genannt, die
die Thesen der ?Borrelianer? stützen. Ohne detailliert darauf eingehen zu
können, sei darauf hingewiesen, dass "Studien" nicht gleich "Studien" sind.
Viele dieser Arbeiten haben große methodische Schwächen, wodurch ihre
Ergebnisse von vornherein mehr oder minder wertlos sind. Häufig werden
keine anerkannten und wissenschaftlich nachvollziehbaren Ein- und
Ausschlusskriterien verwendet oder es handelt sich nur um Laborversuche in
Kultur oder in Versuchstieren, deren Ergebnisse nicht einfach auf den
Menschen übertragen werden können. In einigen Fällen gibt es in der Tat
erstaunliche Ergebnisse. Wenn es sich dabei aber eben nur um Einzelfälle
bzw. Raritäten und keine reproduzierbaren Gesetzmäßigkeiten handelt, die
für die Klinik zudem nicht von Bedeutung sind, ist ihre wissenschaftliche
Bedeutung zur Recht zu hinterfragen. Dass es noch großen Forschungsbedarf
gibt, gerade was die Nachweistests für Borreliose angeht, wurde keineswegs
bezweifelt.
Wie erwähnt, hatte es auch schon bei der Erstausstrahlung des Films vor
einem Jahr eine intensive Diskussion um den Film gegeben, die auch den
Fernsehausschuss des SWR-Rundfunkrates beschäftigt hat. In seiner Sitzung
am 27. September 2012 hat er die seinerzeit eingegangenen
Programmbeschwerden eingehend und intensiv beraten. Er ist zu dem
abschließenden Schluss gekommen, dass alle Vorwürfe gegen den Film
unberechtigt und unzutreffend sind. Der Beitrag entspricht den im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk geltenden journalistischen Maßstäben und
verletzt keine Programmgrundsätze des SWR.
Bitte haben Sie vor diesem Hintergrund Verständnis dafür, dass wir auf
etwaige weitere Schreiben von Ihnen zu diesem Thema nicht reagieren
werden.
Im Sinne aller vermeintlichen und echten Borreliosepatienten hoffe ich,
dass die wissenschaftliche Evidenz bald zu von allen Seiten akzeptierten
Behandlungsrichtlinien führt.
Herzlichen Dank noch mal für Ihr ausführliches Schreiben und freundliche
Grüße
Martin Schneider
SWR Fernsehen Wissenschaft
76522 Baden-Baden
Gruß an alle
Andi2
Wenn einem das Wasser bis zum Halse steht, sollte man nicht auch noch den Kopf hängen lassen.