Hallo sunset,
die Hypothese, dass bei der Umwandlung von Tryptophan zu Serotonin verschiedene Entzündungsfaktoren die Verstoffwechlsung zu Fehlprodukten fördert, ist so viel ich weiß relativ gesichert. U.a. Dr. Hopf Seidel hat das zusammengefasst.
Von daher würde bei erhöhten Entzündungsfaktoren die Einnahme von Tryptophan eher das Gegenteil von dem was man möchte, bewirken. Inwieweit diese Erkenntnisse in letzter Konsequenz gesichert sind, kann ich nicht beurteilen.
SSRI wäre da schon eine Option. Die Wirkung tritt dann aber auch erst nach einiger Zeit, mehrere Wochen ein. Das Problem ist, man kann diese Mittel dann auch nicht einfach absetzen, sondern müssen langsam ausgeschlichen werden. Die Entzündungsfaktoren kann man auch im Blut finden - es könnte sich also lohnen ,vor der Therapie da mal nachzuprüfen, ob die überhaupt vorhanden sind.
Diazepame bringen leider nur kurzfristige Erfolge, da Gewöhnung eintritt und dann auch noch eine starke Abhängigkeit, so dass man ohne stationäre Klinik den Entzug kaum schafft. Solche Mittel betrachte ich daher mit großer Skepsis.
Eher hilfreich würde ich da stressmindernde Therapien betrachten, das könnten auch autogenes Training, Chi-Gong, Yoga oder andere Entspannungstechniken sein. Alleine lustige Pillen sorgen dann m.E. nicht genug für eine grundsätzliche Änderung. Auch Änderungen der Darmflora, bzw. den dort arbeitenden Bakterien durch Nahrungänderung soll angeblich das Nervensystem stark beeinflussen können. Das alles wären dann relativ milde Mittel, der Sache zu begegenen und im Idealfall dann ohne SSRI/SNRI auskommen zu können. Ob man das damit alleine schaffen kann, weiß ich nicht.
Borrelien und Autoimmunerkrankungen können dazu Hand in Hand gehen, so dass auch nicht hinreichend klar ist, ob zum Schluss Borrelien oder das eigenen Immunsystem für die Produktion der Entzündungsstoffe und damit die Störung der Neurotransmitter sorgt.
Wie auch immer, Versuch macht kluch - wenn die SSRI nicht das bringen, was man möchte, dann muss man halt auch wieder davon weg kommen. Mit Cymbalta, einem SNRI, habe ich leider bei mir die Erfahrung gemacht, dass es mir außer Nebenwirkungen und einer Erfahrung mehr (insbesondere was das Wiederabsetzen betraf) nicht viel gebracht hat. Manche haben dann mit diesem auch sehr schlechte Erfahrungen gesammelt.
Die Ungewissheit, was nun hilft und was nicht, ist sicherlich ein weiterer Stressfaktor, der den Teufelskreis aus Schlafstörung und Panik weiter anheizt. Da hilft manchmal dann auch nur, sich einen Arzt zu suchen, dem man wirklich vertraut und das durchzuziehen was er vorschlägt. Vor allem sollte man schauen, dass man nicht jede Lebensqualität verliert, indem man in alle Richtungen schaut nur nicht dorthin wo man gerade steht und lebt.
Zu Tinidazol und der verlinkten Studie: Letztlich ist das eine in-vitro Studie bei der die Konzentrationen, die dort verwendet wurden, eher nicht im Körper erreicht werden können, bei den üblichen Dosierungen. Es gibt dazu keine einzige klinische Studie, die die Hypothese stützen kann, dass Borrelien im Körper durch dieses Mittel wirksam bekämpft werden.
Ich persönlich bin kein Freund von Nitroimidazolen wie Metronidazol und TInidazol und denke, dass die weitere Zulassung für Tinidazol in Deutschland nicht erfolgte, weil Unterlagen nicht gereicht werden konnten. Ich hatte vor Jahren mal bei der Firma nachgefragt, aber keine Antwort bekommen. Dass sie kanzerogen sind, wurde bisher nicht nachgewiesen. Deine Überlegung, von der Länge der Exposition und der Konzentration in der Anwendung, auf andere Nebenwirkungen zu schließen als bei Kurzexposistion, finde ich zumindest schlüssig. Von der chemischen Struktur ähneln sie Bausteinen der DNA/RNA und meiner Vorstellung nach, ist es nicht ausgeschlossen, dass da auch mal was beim Einbau verwechselt werden könnte. Dass niemand Interesse hat, das weiter nachzuforschen, liegt dann auch irgendwo in der Natur der Sache, nämlich derer, die solche Studien im allgemeinen in Auftrag geben, den Herstellern. Von Metronidazol ist z.B. auch bekannt, dass es neurotoxische Wirkungen haben kann . S. auch
http://forum.onlyme-aktion.org/showthread.php?tid=3269
Ich kenne eben auch jemand, der mit Tinidazol schwere Nebenwirkungen mit Darmblutungen bekommen hat, beim mir selbst fing das richtige Chaos im Körper mit der Einnahme von Metronidazol an. Ich habe das zweimal gemacht und bin dann zum Schluss gekommen, darauf lieber zu verzichten. Das Nutzen - Risikoverhältnis ist aber wegen fehlender Studien nur sehr schwer abschätzbar.
Mit Clarythromycin und Minocyclin habe ich persönlich gute Erfahrungen bezüglich der Wirksamkeit gemacht. Rein persönlich würde ich aber auch Therapien nie über 6 Wochen hinaus machen und dann erst mal schauen, was übrigbleibt.
Rein auf Verdacht würde ich Nitroimidazole bestimmt nicht nehmen. Es wäre für mich auf alle Fälle das Mittel der letzten Wahl. Das ist aber nur meine persönliche Meinung.
Ich frage mich dann tatsächlich, ob es nicht sinnvoller ist, auf Mittel zurückzugreifen, bei denen die Wirkung auf Borrelien relativ gut belegt ist. Ceftriaxon und Doxycyclin besitzen dazu auch noch entzündungshemmende Eigenschaften, so dass man damit auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte.
Bei intrazellulär wirkenden Antibiotika ist auch immer noch nicht die tatsächliche Wirkung auf Mitochondrien bekannt - es wäre so viel an Grundlagenforschung nötig.
Allerdings berichten auch einige über durchschlagende Erfolge nach Einnahme von Minocyclin und Tinidazol. Man darf aber auch ruhig hinterfragen, ob dann nicht noch andere Erreger eine Rolle gespielt haben, auf die noch niemand geschaut hat.
Insgesamt gibt es leider viel zu wenig Forschung - und vor allem fast keine Forschung ohne deutlichen Bias. Manche Studien, werden dann eben schon so ausgelegt, ein bestimmtes Ergebnis finden zu wollen - und man findet es meist auch. Reviews werden dann zum Teil von anderer Seite gemacht, die jedoch keinen Eingang in die offizielle Lesart bringen. Interessantes Terrain, über das Soziologen noch mehr sagen könnten.
Letztendlich ist alles, was bei der Borreliosebehandlung angeboten wird und über eindeutig nachgewiesene Lyme-Borreliose im hochakuten Stadium hinausgeht, zum großen Teil rein empirisch gewonnenes Erkenntnismaterial und dieses leider auch kaum dokumentiert. Vieles basiert auf in vitro-Studien, die auch schon ganz gegenteilige Ergebnisse brachten. Ein Beispiel ist Katzenkralle, bei der in einer Studie mal festgestellt wurde, dass sie das Borrelienwachstum fördert, in anderen, dass sie es hemmt, dann gibt es Studien, die ihre Wirkung auf die Modulation des Immunsystems beschreibt, was dann nicht in jedem Fall hilfreich ist, insbesondere wenn man schon in Richtung Autoimmunerkrankung unterwegs ist. Zum Schluss werden Präparate hergestellt, die untereinander noch nicht mal vergleichbar sind und der einfachheithalber jedem empfohlen, zu nehmen. Manchen nutzt es anscheinend, manchen nicht. Bei denen, wo es nutzt, weiß man dann aber auch nicht, ob sich auch ohne weitere Maßnahme das Befinden verbessert hätte. Und so läuft leider vieles.
Leider ist aber Behandlung, die möglich gesicherertes Erkenntnismaterial verwendet , nicht in allen Fällen zielführend - sprich die Gesundheit ist nicht wiederhergestellt danach und hierfür gibt es keine Antworten, weder durch was das ausgelöst wird, noch wie man dem behandlungsmäßig am Besten begegnet. Sie richtet sich derzeit auf eindeutig nachgewiesene Fälle von kutanen Manifestationen und eindeutig gesicherte Neuroborreliose sowie bei Befall der Gelenke vor allem der Knie. Der Rest wird wissenschaftlich in D derzeit ausgeblendet. Wie hoch die Dunkelziffer dadurch ist, ist auch nicht wirklich bekannt.
Auch in der Diagnosik werden viele Begleitumstände nicht betrachtet, usw. so dass es mehr oder weniger zufällig immer wieder Behandlungserfolge, mit alternativen Methoden gibt, die dann aber sehr individuell sind und für den Betreffenden eben genau das Richtig waren. Das zu verallgemeinern geht aber nicht.
Wie groß dieses Problem ist, sieht man vor allem daran, dass in den beiden Gruppen die Wahrnehmungsverzerrung durch Selbstbestätigung im engsten Kreis besonders hoch ausgeprägt ist und ein sehr hoher Konsens über das richtige Tun der jeweils eigenen Lager besteht. Es muss also nicht verwundern, wenn man immer wieder auf Parallelwelten stößt.
Liebe Grüße Urmel